: Wie besetzt man eigentlich ein Haus?
■ Streit zwischen Besetzern Ost und West um ein Haus in Friedrichshain/ Wer war zuerst drin?
Friedrichshain. Seit Februar dieses Jahres bemühte sich eine Gruppe Ostberliner Künstler darum, ein leerstehendes Gebäude zu erhalten, um sich darin Räume zum Leben und arbeiten zu schaffen. Am 6. April, nach einem langwierigen Weg durch die (KWV-)Instanzen, erklärte die sich inzwischen als »ACHBACH e.V.« bezeichnende Künstlergenossenschaft das Haus Scharnweberstraße 28 für besetzt. Die KWV nahm es zur Kenntnis, auf Wunsch der ACHBACH-Leute ließ sie die Fenster und Türen des Hauses zumauern — zum Schutz vor Witterungseinflüssen und Neubesetzern. Dann machte sich die Genossenschaft auf die Suche nach geeigneten Geldgebern — und fand sie. Die Westberliner Wohnungsbaugesellschaft »L.I.S.T.« erklärte sich bereit, den Ausbau zu übernehmen. Doch als man nun endlich mit der Arbeit beginnen wollte, tat sich vor ACHBACH ein neues Problem auf: Das von ihnen besetzte Haus war plötzlich von anderen besetzt. Das Argument der zumeist aus der Bundesrepublik und West-Berlin stammenden »Zweitbesetzer«: Das Haus stand leer, wir aber haben kein Dach überm Kopf. ACHBACHs Antwort: Wir haben uns das Haus über den Weg durch tausend Instanzen erkämpft — da könnt ihr euch doch jetzt nicht einfach reinsetzen.
Nachdem es vor rund drei Wochen so schien, als würden die »Zweitbesetzer« ein Einsehen haben und das Gebäude räumen, entschied ein Plenum ihrerseits jedoch anders: Wohnungen gehen vor Ateliers — wir bleiben. Was dann folgte, war ein ziemlich rüder Schlagabtausch. Die einen sprachen von Okkupation, die anderen bezeichneten ihre Widersacher als »linke Spekulanten«. Den Höhepunkt erreichte der Streit nun gestern, als die »Zweitbesetzer« eine Räumungsaufforderung von der zuständigen Wohnungsbaugesellschaft erhielten. Grund: die vorbereitende Baubegehung durch Architekt und L.I.S.T-Vertreter zum Zwecke des Baubeginns durch ACHBACH. Die Besichtiger wurden nicht eingelassen. Die ACHBACH-Leute zogen enttäuscht wieder ab — mit der berechtigten Angst, daß das Geld für ihr Projekt nun anderweitig ausgegeben wird. Olaf Kampmann
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