piwik no script img

■ Wie bei JoghurtVerfallene Pariser

Wenn sich das Verlangen außerhalb der Geschäftszeiten einstellt und die häuslichen Gummivorräte erschöpft sind, bleibt nur der Automat. So dachte auch Melanie H. In der Fidicinstraße versorgte sie sich mit einer Dreierpackung „Young Lady“ und startete wohlgemut ins Vergnügen. Erst am Morgen fiel ihr Blick auf das Verfallsdatum – 5/91. Zwar hatte der bewährte Knotentest ergeben, daß die Kondome ihre Schuldigkeit getan hatten. Als sie aber wenig später an der Neuköllner Pflügerstraße die nächste verfallene Packung zog, suchte sie die Verantwortlichen.

„Wir sind eine Unfallschutzbehörde“, beschied das Gewerbeaufsichtsamt. Auch ein gerissenes Kondom sei vielleicht eine Art Unfall, aber hier gehe es um solche mit Maschinen. Auch die Polizei könne nichts unternehmen, da weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit vorliege, teilte der Beamte des Gewerbeaußendienstes mit. „Der Aufdruck ist ein unverbindlicher Hinweis ohne Rechtsverbindlichkeit, wie bei Joghurt.“ Sachbearbeiter Rolf Lünser aus dem Neuköllner Veterinäramt ist zwar eigentlich für Lebensmittel zuständig. Trotzdem zog er pflichtbewußt sechs Packungen: Das alte Verfallsdatum – 5/91, wie gehabt – ist dreist überschrieben, Haltbarkeit bis 5/94 wird zugesagt. Nicht minder pflichtbewußt will er die Exemplare jetzt bei der Bundesanstalt für Materialprüfung testen lassen. Selbst die obersten Gesundheitswächter sind in diesem Fall ratlos: „Wir sind nur die Genehmigungsbehörde“, so das Bundesgesundheitsamt. Zuständig sei die Landesbehörde. Doch auch der Senat kann gar nichts machen. Verantwortlich für die Kondome sei einzig der Hersteller, und den könne man auch verklagen, wenn eines reiße. Für die Jugendlichen zumindest, an die die Jugendverwaltung gestern anläßlich der Schulferien 15.000 Kondome verteilte, besteht keine Gefahr. Sprecher Thomas Wieseler nach der Begutachtung: „Die halten bis April 1997. Wer also jetzt 17 ist, kann sie noch mit 21 verwenden.“ Corinna Raupach

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen