Wie Flasche leer und vorher voll

■ Sparkasse zeigt Ausstellung über die Bedeutung des Brauereihandwerks für Bremen. Krüge und Flaschen in allen Größen machen Durst auf mehr – im September

Jürgen Oltmanns Lob kannte keine Grenzen. Es sei ein bekömmlicher Geselle zu den Mahlzeiten und stärke Leib und Seele, wußte er zu berichten. Außerdem führe es die Menschen zueinander, diene zudem der Gesundheit. Und selbst der alltägliche Streß ließe sich mit Hilfe jenes bekömmlichen Gesellen problemlos vertreiben. Über wen sprach der Vorsitzende des Vorstandes der Bremer Sparkasse im gut gefüllten Foyer der Sparkasse am Brill da nur so voller Inbrunst? Über Vanillepudding? Aspirintabletten? Oder gar über Gott?

Nun: Gott ist schon nicht schlecht geraten. Denn immerhin ist es den Fastengepflogenheiten mittelalterlicher Mönche zu verdanken, daß jenes kommunikations- und gesundheitsfördernde Wundermittel sich nach und nach über den Erdball verbreiten und schließlich die Gunst von vielen Menschen erwerben konnte. Und da offenbar der Herr zudem die nachdrücklichen Bitten seiner Jünger erhört hat, doch gefälligst für den Erhalt von Hopfen und Malz zu sorgen, konnte sich Bremen seit der ersten urkundlichen Erwähnung einer Brauerei vor 900 Jahren zu einer Hochburg dieses Handwerks entwickeln. So daß schließlich besagter Herr Oltmann anläßlich der Eröffnung der Ausstellung „Bier in Bremen“ mit Worten, die vom Gaumen kamen, die überragende Bedeutung eines der wichtigsten Bremer Handelsgüter preisen konnte: des Biers.

Nachdem seit 1995, dem Auftakt eines von Übersee-Museum und Sparkasse initiierten Projekts namens „Bremer Handelsgüter“, bereits Tee und Wein in Ausstellungen gewürdigt wurden, steht nun jenes Getränk im Mittelpunkt, das selbst nüchtern kalkulierende Sparkasssenvorstandsvorsitzende mit geballter poetischer Kraft als „Trunk mit beseelenden Nebenwirkungen“ umschreiben. Zu der nun eröffneten Ausstellung im Sparkassenfoyer, die sich vor allem der Bedeutung des Bieres für die Entwicklung der Stadt widmet, wird sich im September im Übersee-Museum eine weitere, umfangreichere Ausstellung anschließen. Dort werden die Geschichte des Biertrinkens allgemein sowie die Rohstoffe, das Herstellungsverfahren und der Bierhandel im Mittelpunkt stehen.

Früher, als nun aber wirklich alles besser war und Bremen sich, etwa im 13. Jahrhundert, einen exzellenten Ruf als Brauhauptstadt und größter Bierhandelsplatz Nordeuropas erworben hatte, tummelten sich bis zu dreihundert Brauer in der Stadt. Mitte des 19. Jahrhunderts – mehrere Jahrhunderte lang hatten die Brauer zuvor durch die Verbreitung eines faulen und stinkenden Gebräus aus minderwertigen Rohstoffen alles getan, um diesen Ruf erfolgreich zu ruinieren – waren noch 16 Brauereien geblieben.

Denen aber gelang es, wieder an alte Glanzzeiten anzuknüpfen. Der Geschichte der bekanntesten unter ihnen – C.H. Haake, St. Pauli-Brauerei, Carsten Dressler, Wilhelm Remmer, Hemelinger Actienbrauerei sowie der einzig noch verbliebenen Beck & Co – widmet sich „Bier in Bremen“. Auf Stellwänden wird mit Texten und alten Fotos die Erinnerung an Zeiten bemüht, wo die BremerInnen noch „Bremer Weisse“ in sich hineinschütteten oder mit einem Fläschchen „Seefahrt Malz“, „St. Pauli-Girl“ oder „Remmer Alt“ kräftig daran arbeiteten, ihre Seelen gesunden zu lassen.

In Schaukästen haben die Ausstellungsmacher Katerina Vatsella und Hartmut Roder vom Übersee-Museum zudem zahlreiche historische Objekte rund ums Thema Bier zusammengetragen. Riesige Krüge aus dem letzten Jahrhundert, wo das berüchtigte eine Gläschen Bier gereicht hätte, um sich ins Koma zu saufen, sind ebenso zu sehen wie Beck's-Flaschen mit einem Fassungsvermögen von mageren 2 cl. Flaschenöffner, eine Bierabfüll- und Verkorkungsanlage von 1900 und Bücher mit ansprechenden Titeln wie „Das überschäumende Sprüchefäßchen“ oder, ganz realsozialistischer Jargon, „Bier. Unser Volksgetränk“ ergänzen die informative Schau.

Diversen historischen Werbeplakaten schließlich kann man unter anderem entnehmen, daß Beck schon früh per Plakat nicht nur versprach, den berüchtigten Männer-Durst zu löschen, sondern auch, wie es sich gehört für einen Global Player auf dem Biermarkt, „apaga sed des hombres“. All das ist Geschichte, denn Beck & Co hat alle Konkurrentinnen aufgekauft oder vom Markt verdrängt. Zuletzt schluckten die „Sail away“-Segler aus der Neustadt 1981 die Haake-Beck A.G.. Beck & Co schlägt heute alle Rekorde, wie Beck-Geschäftsführer Götz-Michael Müller während der Ausstellungseröffnung denn auch nicht müde wurde zu betonen. Fünf Millionen Hektoliter finden jährlich den Weg aus der größten deutschen Exportbrauerei in die Kehlen durstiger TrinkerInnen. „Jede Minute werden 3.000 Flaschen Beck's auf diesem Planeten getrunken“, berichtete Müller voller Stolz.

Und für die Zukunft ist womöglich noch einiges zu erwarten. Denn Beck's besitzt noch immer die Rechte an der Marke „St.Pauli-Girl“ des 1918 geschluckten ehemaligen Konkurrenten St. Pauli Brauerei, von der in der Ausstellung nur noch leere Flaschen und ein buntes Plakat künden. Eine üppige junge Frau lockt dort mit atemberaubendem Ausschnitt und jeweils drei großen Bierkrügen in jeder Hand mindestens zum Bierkonsum. Der Rest, so dachten sich diese symphati-schen Werbefachmänner wohl, ergibt sich dann von ganz alleine. Sail away ... zott

Die Ausstellung ist im Foyer der Sparkasse am Brill bis zum 8. Oktober zu sehen (Mo-Mi: 9-16.30 Uhr; Do: 9-18 Uhr; Fr: 9-14.30 Uhr). Weitere Informationen erhält man unter Tel.: 17 91 00 5. Die große Bier-Ausstellung „Bremer Bier löscht weltweit Durst“ im Übersee-Museum wird am 18. September um 19 Uhr eröffnet.