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WiderstandUni verweigert Rankings

Hamburgs größte Hochschule will sich nicht mehr an Umfragen für Ranglisten beteiligen. Die seien oft nicht seriös und hätten methodische Mängel

Die Uni Hamburg steht mit ihrer Anti-Haltung nicht allein da. Bild: dpa

Die Uni-Hamburg hat genug von Rankings und Umfragen und will daran nicht mehr teilhaben. „Wir erhalten in der Woche ein bis zwei Anfragen. Das ist für uns sehr teuer, weil wir viel Personal für die Beantwortung einsetzen müssen“, sagt Uni-Präsident Dieter Lenzen. Der Beschluss des Uni-Präsidiums hat aber auch inhaltliche Gründe. Man lehne Rankings ab, die „geeignet sind, deutsche und internationale Universitäten gegeneinander auszuspielen“. Auch hätten diese viele „methodische Mängel“.

Befragungen von Personal oder Studierenden über deren berufliche Zukunft beruhten oft auf zu kleinen Stichproben und würden einfachste statistische Gütekriterien nicht berücksichtigen. Gleichwohl hätten solche Umfragen Folgen auf Bewerberverhalten und Zuwendungsbereitschaft von Staat und Drittmittelgebern.

Weiter beantworten will Hamburgs größte Hochschule alle Anfragen von Institutionen der öffentlichen Hand, wie Statistikamt oder Parlament. Andere Anfragen würden nur „gegen Vollkostenrechnung“ beantwortet. Ausnahmen seien wissenschaftliche Untersuchungen, an deren Zustandekommen die Uni ein Interesse habe.

Mit der Anti-Haltung steht die Hamburger Uni nicht allein. In der Kritik steht von allem das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), das seit 1998 jährlich Hochschul-Rankings in allen Fächern wiederholt. Schon 2009 rief der Verband der Historiker Deutschlands (VHD) zum Boykott auf. Unter dem Motto „Evaluation Ja – CHE-Ranking Nein“ warnte nun im Juli auch die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DSG) vor methodischen Mängeln und rief alle Soziologischen Institute dazu auf, „nicht länger durch ihre Teilnahme an diesem Ranking den Eindruck zu erwecken, dass sie ein empirisches Vorgehen unterstützen, das die Soziologie aus fachlichen Gründen ablehnen muss“. Seither haben zwölf Soziologie-Institute den Ausstieg aus dem CHE-Ranking beschlossen. Die Uni Hamburg ist die erste, die allen Umfragen die rote Karte zeigt.

„Das wird bestimmt für eine Debatte sorgen“, sagt Andreas Keller von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die GEW lehne diese in Form einer „Bundesliga-Tabelle“ geführten Rankings schon lange ab. „Es ist falsch, eine Reihenfolge festzulegen, nach dem Motto: Top oder Flop.“ Qualität müsse für alle Studiengänge durch Akkreditierungsagenturen gesichert sein.

CHE-Geschäftsführer Frank Ziegele wirft der Uni-Hamburg einen Rückfall in die 80er Jahre vor, als der Mythos geherrscht habe, alle Unis seien gleich, und man sich einer Bewertung von außen verweigerte. „Es ist verständlich, dass sich die Unis über eine Flut von Befragungen beschweren, aber die Uni-Hamburg schießt über das Ziel hinaus“, sagt er. Indem sie jede Befragung ablehne, verweigere sie auch den „öffentlichen Anspruch auf Transparenz“. Das CHE-Ranking betreffend sei dies bedauerlich. Die Uni nehme Studierwilligen die Möglichkeit, „sich ein neutrales und vergleichendes Bild der Leistungsfähigkeit der Universität Hamburg zu machen“.

Mancher unkt, die Uni-Hamburg entziehe sich der Bewertung, weil sie schlecht abschneide. Dies weist Lenzen selbstbewusst zurück. „Man kann nicht sagen, dass wir im hinteren Feld liegen.“ Wenn man Rankings zusammennehme, stehe Hamburg „auf Platz 13 von etwa 300 Hochschulen in Deutschland“.

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1 Kommentar

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  • HH
    Hergen Hillen

    Die Entscheidung der Universität Hamburg ist auf jeden Fall zu begrüßen. Die Entstehung von Rankings im Bildungssystem ist eine der vielen Erscheinungen neoliberaler Politik. Der Vergleich mit der Bundesliga passt, denn wer nicht in der ersten Liga mitspielt, muss meistens darben und ist in seiner Existenz bedroht. Universitäten sind ja gar nicht mehr in der Lage, eine vernünftige Strategie zu entwickeln, wenn sie ständig mit irgendwelchen Mängeln konfrontiert werden.

     

    Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) unterstützt das Modell der unternehmerischen Universität, die in den Rankings auch entsprechend gut benotet wird. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der andere Geschäftsführer des CHE Jörg Dräger ist, ein ehemaliger Langzeitstudent und von 2001 - 2008 Hamburger Wissenschaftssenator, der die gegenwärtige Misere der Hamburger Hochschulen noch verschärft hat. Erinnert sei daran, dass genau dieser Jörg Dräger maßgeblich verantwortlich dafür war, die Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) aufzulösen, die in den Rankings seinerzeit immer oben lag. Die HWP war jedoch gewerkschaftlich orientiert und passte daher nicht in die Ideologie der neoliberalen Politik. In seine Amtszeit fallen auch erhebliche Kürzungen in der Lehrerausbildung, für die gerade vor dem Hintergrund der Bildungsmisere eine erhebliche Aufstockung des Budgets notwendig gewesen wäre.

     

    Es geht bei den Rankings nicht um eine behauptete Transparenz, sondern um eine Anpassung und Unterwerfung an eine Ideologie, die Freiräume für kritisches und kreatives Denken einschränkt und das Gelingen von wissenschaftlichen Innovationen auf das Effizienzversprechen marktorientierter Steuerungsmodelle reduziert. Tatsächliche Transparenz wäre erst dann gegeben, wenn die Öffentlichkeit einen Einblick hätte über die Verwendung von Forschungsgeldern, Sinn und Zweck bestimmter Forschungsvorhaben und überhaupt wüsste, welches Wissen an Hochschulen produziert wird. Die Rankings verschleiern bei alledem natürlich, dass das deutsche Hochschulsystem unterfinanziert ist, und den Kampf um knappe Ressourcen zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, zwischen Lehrstühlen, Fachbereichen, Departments und Hochschulen verschärfen. Es ist daher kein Wunder, dass sich aus dieser Tretmühle Historiker und Soziologen verabschieden, die selten den Ansprüchen einer unternehmerischen Universität genügen, auf deren kritisches Potenzial eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft aber nicht verzichten kann.