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Widerstand gegen NS-RegimeVor dem Vergessen gerettet

Ein Forschungsprojekt der Freien Universität Berlin dokumentiert die Biografien linker GewerkschafterInnen zur NS-Zeit.

Hier starben viele, die gegen das NS-Regime aufbegehrten: Gedenkstein im KZ Sachsenhausen. Bild: ap

Seit 2006 erinnert der Name einer kleinen Straße in der Nähe des Hauptbahnhofs an Ella Trebe. Die im Wedding geborene kommunistische Gewerkschafterin wurde am 11. August 1943 zusammen mit 14 weiteren NazigegnerInnen im Konzentrationslager Sachsenhausen erschossen. Ein Gedenkstein im Wedding, der an sie erinnerte, wurde in den 50er-Jahren wieder entfernt – man wollte im Kalten Krieg keine Kommunistin würdigen.

Ella Trebe teilte dieses Schicksal mit vielen antifaschistischen ArbeiterInnen, die sich schon gegen den Nationalsozialismus engagierten, als die heute gefeierten Männer des 20. Juli noch lange nicht an Widerstand dachten. ForscherInnen der „Arbeitsstelle Nationale und Internationale Gewerkschaftspolitik“ an der Freien Universität Berlin (FU) haben jetzt ein Buch veröffentlicht, das die Biografien von 58 kommunistischen GewerkschafterInnen aus Berlin dokumentiert.

Es ist der zweite Band eines umfangreichen Forschungsprojekts zum Thema „MetallgewerkschafterInnen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“. Während der erste Band 82 Biografien aus dem sozialdemokratisch orientierten Deutschen Metallarbeiterverband (DMV) versammelte, geht es nun um AktivistInnen des Einheitsverbandes der Metallarbeiter Berlins (EVMB). Er bestand im Kern aus GewerkschafterInnen, die der DMV wegen kommunistischer Aktivitäten ausgeschlossen hatte, und wurde gegen Ende der Weimarer Republik zum Fokus der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO). Zu einer linken Massenbewegung konnte diese sich allerdings nie entwickeln, die KPD kritisierte die RGO-Politik schon bald als ultralinke Abweichung. Lange dominierte in der Forschung allerdings das Bild der RGO als einer von der KPD-Zentrale gesteuerten Kaderorganisation.

Das Buch zeichnet die unterschiedlichen Beweggründe für das Engagement in der linken Gewerkschaftsopposition nach. Viele der AktivistInnen waren schon während der Novemberrevolution von 1918 in linken Arbeiterräten aktiv und sahen in der RGO die Fortsetzung einer klassenkämpferischen Politik. Dabei gab es immer wieder Konflikte mit den KPD-FunktionärInnen. Auch in der DDR, wo viele der Porträtierten später lebten, war eine RGO-Vergangenheit nicht gerade karrierefördernd, wie an mehreren Beispielen belegt wird. Der Band füllt nicht nur eine Forschungslücke, sondern gibt den vergessenen WiderstandskämpferInnen aus der Arbeiterklasse ihre Biografie zurück.

Stefan Heinz, Siegfried Mielke (Hg.): "Funktionäre des Einheitsverbandes der Metallarbeiter Berlins im NS-Staat. Widerstand und Verfolgung". Metropol Verlag, Berlin 2012, 304 Seiten, 19 Euro

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5 Kommentare

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  • KG
    karl glanz

    Kommunisten waren es die gegen den Faschismus aufstanden, denn alle anderen haben sich lieber arrangiert. Sie haben lieber Verbrechen begangen, als gegen den Faschismus zu kämpfen und bis heute sind sie stolz darauf. Wer kein Nazi war, der kann heute auch nichts werden. Siehe Weiuäcker, Waldheim, Peter,...da gibt es einige Beispiele. Heute noch werden Mail verschickt mit eindeutigen faschistischen Texten. "Saujud", "dich hätten wir vergasen sollen", dass habe ich bekommen. Hier zum nachlesen:

    http://unterwoelfen.blogspot.co.at/

  • O
    Olaf

    Nein, nein Bernd - man versteht sie schon ganz richtig!

    was Sie hier zum Ausdruck zu bringen sich bemuessigt fuehlten ist wohl:

    Kommunisten sind eben auch Verbrecher - die wollen uns schliesslich die dicken Autos madig machen - und Autobahnen bauen sie auch nicht!

    Freiheit ist schliesslich die Freiheit des Kapitals und die Freiheit zu sterben (an Hunger, wem es gefaellt) - aber bitte nicht hier, sonder da, wo die Rohstoffe fuer unsere lebensnotwendigen i-phones aus der Erde gekratzt werden!

    und wenn es eben so ist, dass es den Faschismus als Strafe gibt, wenn der Sozialismus nicht erstritten wird - was soll´s - man muss ihn nur umbenennen, z.B. in Standortpolitik, dann geht das schon in Ordnung, oder?

  • S
    Stev

    Die einen nachträglichen Freiheitshelden stimmten im Zweifel für Hitler (Theodor Heuss u.a., Ermächtigungsgesetz 24.3.1933) bzw. beförderten ihn überhaupt erst an die Macht im Januar 1933. Im Sinne von: Lieber Hitler an der Macht, als mit den Gegnern zusammenarbeiten. Die anderen strebten eine Militärdiktatur an (20. Juni 1944). Kommunisten und linke Sozialdemokraten/Gewerkschafter wurden als jene angesehen, die der Errichtung jener Diktatur am meisten im Wege standen und waren somit die ersten, die 1933 noch vor dem Ermächtigungsgesetz ermordet wurden bzw. die neuerrichteten Konzentrationslager füllten.

  • P
    Paola

    zu Bernd G.: Können vielleicht auch FreiheitskämpferInnen eigene politische Meinungen haben? Dass sie in der KPD oder in der DDR nicht so gerne gesehen wurden, spricht schon für sich. Und nochmal: Kommunistische Ideale gehören auch zum Freiheitsdenken. Es soll endlich Schluss sein mit den Vorurteilen des kalten Krieges!

  • BG
    Bernd G.

    Kommunisten als Freiheitshelden, soweit ist es dann schon gekommen. Ja, die Kommunisten wollten damals eine NS-Diktatur verhindern/stürzen. Allerdings nur, um daraufhin eine eigene Diktatur zu errichten. Versteht mich nicht falsch, auch die damals ermordeten Kommunisten haben unrecht erlitten, aber man kann, sollte und darf sie nicht auf eine Stufe stellen mit Freiheitskämpfern.