Widerstand gegen Baupläne: Vom Wohnungsbau überfordert
In Groß Borstel könnten rund 1.000 Wohnungen entstehen. Doch manche Anwohner sind nicht begeistert von den Entwürfen des Bezirksamts.
An einer Pinnwand weit oben, im 6. Stock des Technischen Rathauses, hängen sie nun: Die Pläne, mit denen der Bezirk Hamburg Nord dem städtischen Wohnungsbauprogramm einen Dienst erweisen will. Uwe Schröder hat sich die Entwürfe angeschaut und das, was er da sieht, macht ihn nicht froh.
Schröder ist einer der Anwohner, die sich in einer Initiative gegen das Bauprojekt organisiert haben. Geht es nach dem Willen des Bezirks, wird der irische Investor Sean Reilly auf dem Areal nördlich des Nedderfelds bald etwa 750 Wohnungen bauen. Auch um den ansässigen Einzelhändlern kaufkräftige Kundschaft zu bescheren. Weil es sich an der Tarpenbek wegen der Güterbahntrasse nicht gerade geräuschlos lebt, soll das neue Viertel hinter einer begrünten Lärmschutzwand liegen.
Nach den alten Plänen war die Fläche eigentlich als Gewerbegebiet ausgewiesen. Doch die Bezirksfraktionen wollen hier nun lieber Wohnungen. Das dafür vorgesehene Gelände um den alten Lokstedter Güterbahnhof nutzen heute vor allem Kleingärtner. Auch die sind wenig begeistert. Ihnen muss die Stadt ein Alternativgelände anbieten. So ist es vertraglich vereinbart.
Auf dem Areal des ehemaligen Güterbahnhofs Lokstedt soll laut Bebauungsplan ein Viertel mit 750 Wohnungen entstehen. Kritiker befürchten, dass der Investor noch deutlich mehr Wohnungen bauen könnte.
Das stadtplanerische Ziel ist, den Stadtteil Groß Borstel als Wohnstandort zu stärken und mehr kaufkräftige Bewohner in den Stadtteil zu locken.
Die Kleingärtner, die für das Bauprojekt weichen müssen, bekommen Ausweichflächen.
Die geplante Parkanlage von rund 10.000 Quadratmetern soll zu einem großen Teil private Fläche werden.
Eine Kita soll innerhalb des Wohngebiets entstehen.
Öffentlich ausgelegt ist der Entwurf noch bis zum 3. Januar im Technischen Rathaus des Bezirksamtes Hamburg-Nord.
Um das Bauprojekt umzusetzen, muss der Investor noch die Grundstücke von der Stadt und von Aurelis, dem ehemaligen Tochterunternehmen der Deutschen Bahn, kaufen. In einem städtebaulichen Vertrag will der Bezirk darauf bestehen, dass hier auch zu einem Drittel Sozialwohnungen gebaut werden.
Uwe Schröder von der Anwohnerinitiative befürchtet, dass durch das Projekt die Verkehrsbelastung zu groß wird. „Den Plänen zufolge könnte der Investor sogar noch mehr Wohnungen bauen“, sagt er. Je nachdem wie groß sie werden, rechnet er mit bis zu 1.300 Wohnungen. Für so viele neue Bewohner sei die Gegend nicht ausgerichtet. Aktuell leben in Groß Borstel weniger als 8.000 Einwohner, mit den neuen Wohnungen könnten es mehr als 10.000 werden.
Michael Werner-Boelz, Vorsitzender der Grünen-Fraktion in der Bezirksversammlung Hamburg Nord, teilt diese Sorgen nicht. „Es braucht aber ein modernes Mobilitätskonzept für ein autoarmes Wohnen“, findet er. Groß Borstel habe den Nachteil, dass es nicht an das Schienennetz angebunden und deshalb auf Busse angewiesen ist.
Wolf Wieters, der Vorsitzende des Kommunal-Vereins, nennt die Verkehrssituation um das Gelände die „größte Sackgasse ganz Hamburgs“. Das Problem sei, dass es keine tragfähige Verkehrsanbindung gebe und der Verkehr durch das Wohngebiet fließen würde. Als der Investor vor drei Jahren erstmals seine Pläne präsentierte, sei nur von 200 bis 350 Wohnungen die Rede gewesen, sagt Wieters. „Damit wären wir einverstanden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen