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Widerspruchs Wunderwelt

■ Teure Folgen einer Rechtshilfebelehrung: Die Gebühr zahlt der Bürger

„Rechtshilfebelehrung: Gegen diesen Bescheid ist Widerspruch möglich...“ Ein Satz, hundertmal gelesen und doch nie so ganz ernst genommen? Der Bremer Krankenpfleger Gerrit Guit hat es getan – und dabei sein blaues Wunder erlebt. Seinem Ausflug in die wunderliche Welt von Genehmigungsbescheiden, Verwaltungsverfahren und Gebührenordnungen wurde jetzt endgültig vom Bremer Verwaltungsgericht ein Ende gesetzt. Mit einer siebenseitigen Urteilsbegründung verdonnerte es den Widersprecher Guit zur Zahlung von dreimal 65 Mark plus Gerichtskosten. Und damit ist die Geschichte wirklich zu Ende. Ganz ungewohnt für den rechtshilfsgewohnten Bürger heißt es nämlich im Schriftsatz des Gerichts: „Die Kostenentscheidung ist unanfechtbar“, gegen die Streitwertfestsetzung ist keine Beschwerde zulässig.“

Angefangen hatte alles im April vergangenen Jahres mit einer kleinen Notiz in den „Amtlichen Bekanntmachungen“, in der die „Errichtung einer gentechnischen Anlage der Sicherheitsstufen 2 und 3“ an der Bremer Universität avisiert und auf die Möglichkeit hingewiesen worden war, Widerspruch dagegen einzulegen.

Das Wort „Gentechnik“ erwecte damals die gesteigerte Aufmersamkeit des Krankenpflegers Guit. Kaum war der Widerspruch eingelegt, da hatte er auch schon Gelegenheit, an einem langen Arbeitstag in der zuständigen Gesundheitsbehörde das umfangreiche Aktenmaterial in Sachen Uni-Gentechnik einzusehen. Schon hier allerdings türmten sich erste Hindernisse vor die Reise in die Genehmigungswelt, waren doch Teile der Unterlagen in englischer Sprache verfaßt, einem Idiom, dessen der Niederländer Guit nicht ausreichend mächtig ist. Und sein Wunsch, doch diese und weitere Teile der nicht gerade allgemeinverständlichen Papiere mitzunehmen, um sie zu Hause in aller Ruhe und gemeinsam mit Fachleuten durchzusehen, scheiterte – an der nicht vorhandenen Bereitschaft des Widersprechers den amtlichen Wucherpreis von einer Mark pro kopierter Seite zu entrichten.

Doch Guit wurde trotzdem fündig. Seinen Widerspruch begründete er mit einer Liste offensichtlicher Widersprüche und Unzulänglichkeiten der Gentechnik-Genehmigung. Die Behörde sah sich zu insgesamt drei vielseitigen Ablehnungsbescheiden genötigt, die in wortreichem Amtsdeutsch ankündigten, einigen Fehlern „abhelfen“ zu wollen, ans Ende ihrer Ausführungen aber den Satz stellten: „Im übrigen wird der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.“

Doch selbst mit dieser schlechten Nachricht konnte Guit die Sache noch keineswegs als erledigt ansehen. Denn da kam unversehens der Gebührenbescheid auf ihn zu. 65 Mark pro „im übrigen“ zurücgewiesenen Widerspruch verlangte die Staatskasse. Wieso eigentlich?, fragte sich Guit, hatte er doch zumindest in Teilen mit seiner Kritik recht behalten. Und warum eigentlich gleich dreimal, wo doch die drei Ablehnungsbescheide seines Widerspruchs bis auf das Aktenzeichen identisch waren? Guit folgte der Rechtsmittelbelehrung mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht.

„Die Kosten ergaben sich aus den gesetzlichen Verpflichtungen“, erläutert der zuständige Justitiar des Gesundheitsressorts, Linnecke, den Fall. Und der „Widerspruchsführer“ Guit könne da noch froh sein, sieht doch die „Bremische Abgaben- und Gebührenordnung“ einen Betrag „zwischen 65 und 5.000 Mark“ für abgewiesene Widersprüche vor. Und warum gleich dreimal? Linnecke: „Es sind eben drei verschiedene Verfahren mit drei verschiedenen Aktenzeichen gewesen.“ Und überhaupt: „Die Arbeitsstunden, die ich mit diesen Widerspruchs-Ablehnungen zu tun hatte, werden auch durch die dreifache Gebühr bei weitem nicht gedeckt.“

Guit hat inzwischen gezahlt. Und er hat aus der Sache seine Lehre gezogen. In einem Brief an das Finanzamt hat er sicherheitshalber „alle Widersprüche gegen die Bescheide 1991, 1990, 1989, 1988 und rückwärts bis Christi Geburt“ zurückgezogen. Doch das war zu voreilig. Widersprüche gegen Steuerbescheide heißen nämlich „Einsprüche“ und sind auch bei Ablehnung kostenlos. Ase

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