■ Genf macht sich gut für Wahlkampfauftritte aller Art: Wichtig, wichtig
In der UNO-Stadt Genf herrscht seit Tagen intensiver Wahlkampf. Nicht etwa für die örtliche Kantonsregierung oder das Schweizer Bundesparlament in Bern, sondern für die Ämter des UNO-Generalsekretärs und des US-Präsidenten. Am Freitag letzter Woche nutzte Butros Butros Ghali die Stadt mit ihren knapp 200 Journalisten aus aller Welt zur Vorstellung eines „bislang einmaligen Hilfsprogramms für die Entwicklung Afrikas“ (FAZ). Es ist außerdem, so Butros Ghalis Sprecher, „die umfangreichste“ Initiative in der UNO-Geschichte. Bis zum Jahr 2006 sollen 25 Milliarden US-Dollar aufgebracht werden. „Persönlich“ will der UNO-Generalsekretär für die Beteiligung der Staatengemeinschaft werben.
Statt einmalig und umfangreich ist diese Initiative nicht mehr als heiße Luft. Selbst Mitarbeiter der mit Afrika befaßten UNO-Sonderorganisationen sehen das so. 85 Prozent der versprochenen 25 Milliarden Dollar sind altes Geld – das heißt bereits vor Jahren von Weltbank, IWF und anderen Geldgebern zugesagt. Die Aussicht, daß Butros Ghali für die restlichen 15 Prozent überhaupt Zusagen von der internationalen Staatengemeinschaft erhält, sind mehr als dünn. Doch der Ägypter ist schon seit einiger Zeit in erster Linie um seine Wiederwahl im Herbst besorgt. Für eine zweite Amtszeit braucht er die Unterstützung der meisten der 56 afrikanischen Staaten. Und die ist keineswegs gesichert. Butros Ghali hat ihrer Ansicht nach bislang zu wenig für ihre Interessen getan.
Für den ebenfalls vorrangig um seine Wiederwahl im Herbst bemühten Bill Clinton stieg in Genf dessen Außenminister Warren Christopher in den Ring. Auch er produzierte nur heiße Luft. Seine Gespräche zum Atomtestabkommen mit den Botschaftern Chinas, Rußlands und mehrerer Staaten des Südens erbrachten über die Wiederholung bekannter Positionen hinaus – nichts. Und das Ergebnis von Christophers hastig anberaumten Treffen zur Rettung des Dayton-Abkommens war noch dünner als das des Minigipfels in Rom vor vier Wochen, organisiert zum selben Zweck.
Wichtiger als das Mißvergnügen in Moskau, Bonn, Paris und London über Washingtons hektische Betriebsamkeit ist in Wahlkampfzeiten allemal die Wirkung auf den Fernsehschirmen zu Hause in den USA. Und ebenso wie Butros Ghali konnte sich Christopher auch in Genf darauf verlassen, daß die meisten Medien seine Wahlkampfauftritte wichtig, wichtig fanden. So wird Politik gemacht. Andreas Zumach, Genf
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