: Who-isst-mit-Who in Bremen
■ Schaffermahl: Die Zeche zahlen drei Unternehmer
Für die Gäste ist es eines der exklusivsten Essen der Welt. Je 100 Kaufleute, Kapitäne und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden sich an diesem Freitag zum Bremer Schaffermahl im Rathaus versammeln. Drei zu Schaffern gewählte Unternehmer müssen die Zeche bezahlen. „Es ist eine besondere Ehre“, sagen die diesjährigen Gastgeber Peter Lürßen, Ulrich Nußbaum und Hans-Joachim Schnitger. Schließlich ist es ein erlauchter Kreis, der seit 458 Jahren das älteste Brudermahl weltweit veranstaltet. „Um dieses Amt kann man sich nicht bewerben“, sagt Lürßen.
Erstmals seit Jahrzehnten richten drei Unternehmer aus der Schifffahrt gemeinsam das traditionelle Mahl aus, mit dem Bremer Kaufleute einst ihre Kapitäne zur Reise verabschiedeten. Lürßen ist Chef der Lürssen-Werft; zu Nußbaums Fischhandelshaus SLH Sea Life Harvesting gehört auch eine Flotte von Fangfabrikschiffen; Schnittger ist geschäftsführender Gesellschafter des Hafenbetriebes Karl Geuther.
Schifffahrtskaufleute und Reeder waren es, die 1545 den Anstoß für das Schaffermahl gaben. „Das Schicksal der schändlichen Armut soll keinen der unseren treffen“, schworen sie sich. Ein jährliches Essen dient seither zur Spendensammlung für das Haus Seefahrt, das seit dem Mittelalter pensionierte Kapitäne oder deren Witwen und Waisen versorgt. „Eigentlich haben unsere Vorfahren das Prinzip des amerikanischen fund-raising erfunden“, sagt Nußbaum.
Welche Summe Jahr für Jahr zusammen kommt, gehört ebenso zu den Geheimnissen des Schaffermahls wie der Aufwand der gastgebenden Schaffer. „Natürlich sind die Ausgaben beträchtlich“, sagt Peter Lürßen, „wer sie über einen Kredit finanzieren müsste, wird das Amt nicht annehmen.“
Allerdings ist nie bekannt geworden, dass ein von der Generalversammlung des Hauses Seefahrt auserkorener Schaffer die Würde abgelehnt hätte. Möglicherweise kann das teure Ehrenamt aber den Erfolg des Unternehmens eines Tages beflügeln. Denn mit der Schafferwürde erhalten die drei Auserwählten das Recht, zu allen folgenden Veranstaltungen einen Gast einzuladen. „Das ist ein ideales Marketing-Instrument“, weiß Nußbaum. Die Gästelisten lesen sich wie das who-is-who der europäischen Wirtschaft. „Jeder Gast darf nur einmal teilnehmen“, verdeutlicht Nußbaum die Exklusivität. Dafür werden bei französischem Rotwein und einem seit 458 Jahren gleichen Menü Kontakte fürs Leben geknüpft.
Die Schaffer selbst kommen an diesem Abend allerdings kaum zum Essen. Zwischen Hühnersuppe, Stockfisch, Braunkohl, Kalbsbraten und Rigaer Butt muss jeder von ihnen zwei Reden halten: auf Bundespräsident und Vaterland, Bremen und den Senat – und auf die Damen. Die dürfen die Veranstaltung nur im Nachbarsaal des Bremer Rathauses verfolgen. „Spätestens wenn es eine Bundespräsidentin gibt, wird diese Tradition fallen“, glaubt Schnitger.
Die Reden sind der letzte Kraftakt einer monatelangen Kleinarbeit. „Wir drei müssen alle Vorbereitungen erledigen“, sagt Lürßen. Immerhin hat bei aller Tradition die Moderne Einzug gehalten. Die über Jahrzehnte weiter gereichte Handakte mit Anweisungen für Einladungen, Gästelisten und Sitzordnung ist einer CD-ROM gewichen. Trotz der vielen Arbeit hat der Begriff Schaffer aber nichts mit Schaffen zu tun. „Schaffen, schaffen unnen un boven – unnen un boven schaffen“ (Essen fassen, auf Deck, unter Deck, Essen fassen), so riefen die Bremer Schiffsköche einst die Besatzungen zu Tisch. Seit 458 Jahren wird so auch das Schaffermahl eröffnet.
Wolfgang Heumer
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