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What's hot, what's notVon Polen zum Polo

■ Wird die Traumfabrik Hollywood von Juden beherrscht? Brando und der Geschmack in und um Hollywood

Vor kurzem schickte das berühmte CNN-Nachrichtenmagazin „60 minutes“ seine Redakteure auf eine seltsame Recherche: Sie sollten herausfinden, ob Hollywood tatsächlich von Juden beherrscht wird. Der Grund war Marlon Brando, der im letzten Jahr mehrfach unangenehm aufgefallen war: Er entsetzte in gräßlichen Rollen („DNA“), zog Jack Nicholson auf einer Geburtstagsfeier vor allen Gästen die Hosen runter, erreichte das Lebendgewicht eines Elefanten und verbreitete in aller Öffentlichkeit, daß „Hollywood von Juden, von kikes, beherrscht wird“. Kikes ist ein schlimmes polnisches Schimpfwort.

Man hätte die ganze Angelegenheit als Ausfluß eines senilen Altmännerhirns abtun können. Tat man aber nicht. Die Reporter fanden heraus, daß sechzig Prozent der Hollywoodianer Juden sind. Dazu gehören der einflußreichste Anteilseigner der Paramount, Sumner Redstone, der Studiochef Jon Dolgen und die Produktionschefin Sheryl Lansing. Auch die Disney-Oberen Michael Eisner und Michael Ovitz haben die „gewisse“ Herkunft.

Allerdings ist das Ergebnis der CNN-Recherche weniger interessant als der Anlaß: Warum konnte Brandos dummer antisemitischer Ausfall die Gemüter so erregen? Der Schauspieler und Kritiker Ben Stein hat in einem glänzenden Essay noch einmal zusammengefaßt, warum Amerika im allgemeinen und Hollywood im besonderen den Juden alles verdankt. Hollywood als Nonplusultra wurde nämlich von osteuropäischen jüdischen Einwanderern und deren Nachfahren geschaffen. Sie hießen George Czukor, Irving Thalber, Darryl Zanuck, William Wyler, Louis B. Mayer und Samuel Goldwyn. Ein unter Juden vielzitierter Witz meint, daß es all diese osteuropäischen, teils Jiddisch sprechenden Juden brauchte, um den American Dream und das Bild Amerikas für die Weltöffentlichkeit zu formen: die Idee von der perfekten Familie, vom machbaren Glück und vom Patriotismus. Der erfolgreichste amerikanische Film aller Zeiten, „Vom Winde verweht“, war eine David-O.-Selznick-Produktion, und Selznick wiederum war mit einer Tochter Louis B. Meyers verheiratet.

So weit, so bekannt, und deswegen zurück zur Frage: Warum interessiert es plötzlich, ob Hollywood von Juden dominiert wird oder nicht? Vielleicht liegt es daran, daß Hollywood in ethnischen Fragen mit einem differenzierteren Bewußtsein jongliert als noch vor wenigen Jahren. So gab es zum Beispiel noch nie – Denzel Washington, Angela Basset, Samuel L. Jackson, Eddy Murphy – so viele schwarze Schauspielerstars. Gleichzeitig drängt erstmals eine große Anzahl WASPs (white anglo-saxon protestants) aus den Eliteuniversitäten Harvard und Boston in Studios, Drehbuchbüros und Sitcom-Labors. Eigentlich könnten alle zufrieden sein. Oder braucht hier jemand mehr Platz? Dann würde die Aufgeregtheit um Juden in Hollywood und ihren Einflußbereich allerdings einleuchten. Anke Westphal

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