piwik no script img

■ Italiens Parteien verkaufen die DemokratieWettrennen um den Pyrrhussieg

Daß die Politik Italiens reich ist an absurdem Theater, kennt man seit jeher. Diesmal aber scheinen sich ausnahmslos alle Parteien in eine Krise stürzen zu wollen, aus der sie durchwegs nur lädiert herauskommen können. Dabei ist die Abbestellung der Administration Dini keineswegs der Knotenpunkt: Eine reine Technokratenregierung, der nicht ein einziger gewählter Parlamentarier angehört, kann allenfalls mal eine kurze Übergangsepoche dienen. Doch so, wie die Regierungskrise derzeit gehandhabt wird, kann die Demokratie nur Schaden nehmen.

Da sind die Linksdemokraten unter ihrem höchst arroganten, aber mittlerweile völlig konzeptionslosen Chef Massimo D'Alema und die Forza Italia des Silvio Berlusconi: Die beiden größten Fraktionen steuern auf eine Große Koalition zu, da die eine die andere Kraft nicht aushebeln kann, und beide derzeit Neuwahlen fürchten; verkauft werden sollen dabei die jeweiligen Ränder, Rifondazione comunista auf der linken, Alleanza nazionale auf der rechten Seite. Diese beiden wiederum zeigen sich mächtig stolz, waren doch anfangs sie alleine es, die den definitiven Rücktritt Dinis gefordert haben und nun nach Neuwahlen rufen – wobei sie nicht etwa Konzepte dafür vorbereiten, sondern einfach auf Protestwähler hoffen.

Das Ende vom Lied ist voraussehbar. Entweder die beiden „Großen“ verwursteln sich in spätestens einem halben Jahr großer Koalition an ihren eigenen Gegensätzen oder werden von ihrer eigenen, dem jeweiligen Koalitionspartner mehrheitlich regelrecht feindlich gesinnten Basis aus der Allianz gehebelt. Oder sie kommen gar nicht einmal zur Regierung, weil auch ihre kleineren Partner – wie etwa die Lega Nord – eigene Wege gehen, und müssen deshalb doch Neuwahlen akzeptieren. Neuwahlen, nach denen wiederum eine vernünftige Allianz höchst unwahrscheinlich ist. Eine wahre Kultur der Kurzsichtigkeit. Man kann gegen die so oft miesgemachte „Erste Republik“ sagen, was man will, aber einen Vorteil hatte sie doch gegenüber der nun seit zwei Jahren Geburtswehen verursachenden „Zweiten Republik“: Regierungskrisen machte man damals, weil man genau wußte, was man wollte (mehr Pfründe, mehr Minister, bestimmte Gesetze, oder deren Rücknahme etc.). Heute lösen die Parteien sie aus, weil keine einzige weiß, wie es weitergehen soll. Werner Raith

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen