: Wettlauf zur Nato
■ Ungarn und die Sowjetunion nehmen diplomatische Beziehungen zur Nato auf / Antall: Die SU muß zum europäischen Sicherheitssystem gehören
Brüssel (afp) - Die Sowjetunion will diplomatische Beziehungen mit der Nato aufnehmen. Der künftige sowjetische Botschafter in Belgien soll auch die Vertretung seines Landes beim westlichen Verteidigungsbündnis übernehmen, erklärte Nato-Generalsekretär Manfred Wörner am Mittwoch in Brüssel. Wörner war erst am Dienstag von einem Besuch aus der Sowjetunion zurückgekehrt. Auch Ungarn will seinen Botschafter in Brüssel mit Kontakten zur Nato beauftragen. Der ungarische Ministerpräsident Joszef Antall besuchte am Mittwoch als erster Regierungschef eines Staates des Warschauer Paktes den Sitz der Nato. Damit reagieren die Sowjetunion und Ungarn auf das Angebot des Londoner Nato -Gipfels vom 6. Juli, bei dem die 16 Staaten des westlichen Bündnisses den Staaten des Warschauer Paktes vorgeschlagen hatten, „regelmäßige diplomatische Beziehungen mit der Nato aufzunehmen“.
Mit dem Ergebnis seines Moskau-Besuchs sei „die Tür zu einer neuen Ära geöffnet“ worden, sagte Wörner im Anschluß an sein Treffen mit Antall. Antall blies am Mittwoch in das selbe Horn. Die Beteiligung Ungarns an der europäischen Integration sei eines der „primären Ziele“ seiner Regierung. Am Vortag hatte Antall bei Kontakten mit der Europäischen Gemeinschaft klargestellt, daß sein Land 1995 EG-Mitglied werden wolle. Die europäische Integration sei eng mit der „atlantischen Idee“, dem „untrennbaren“ Kontakt zwischen Europa und Nordamerika, verbunden. Dies sei auch angesichts der deutschen Einheit ein „ausgezeichnetes Mittel“ zum Erhalt der Stabilität. Die Nato sei eine Basis für die europäische Sicherheit. Ihre künftigen Strukturen dürften aber nicht gegen die Sowjetunion gerichtet sein. Antall: „Die Sowjetunion muß ebenso Teil sein wie die USA“.
Das ungarische Parlament hatte am 26. Juni die Regierung beauftragt, Verhandlungen über den Austritt aus dem Warschauer Vertrag aufzunehmen. Antall stellte am Dienstag klar, daß sein Land nicht Mitglied der Nato werden wolle. Es wolle aber auch nicht neutral werden, weil dies zu einem Hindernis für die Mitgliedschaft in der EG werden könne. Der ungarische Ministerpräsident verwies darauf, daß Österreich im Rahmen seiner EG-Verhandlungen möglicherweise seine Neutralitätserklärung von 1955 zurücknehmen müsse.
Ein Nato-Sprecher präzisierte, daß die Botschafter der Sowjetunion und Ungarns sich noch nicht formell akkreditieren könnten, da für Nicht-Mitglieder der Nato diese Möglichkeit bislang nicht vorgesehen sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen