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Wettbewerb 2: Die Crème de la Crème der Standard- und Latein-Amateure tanzte in der Stadthalle um die Wette

Die Latein-Tänzerin Katja Kouckula trägt ein mittellanges schwarzes Kleid, das vorn mit Strass besetzt und am Rücken mäßig geschlitzt ist. Ihre Konkurrentin Nicole Cutler trägt ein kurzes Kleid, das mehr zeigt als es verhüllt. Katja Koukkula, die ihrem Partner Jussi Väänänen manchmal keck in den Po kneift, scheidet im Semifinale aus. Die laszive und augenrollende Nicole Cutler dagegen gewinnt zusammen mit ihrem Partner Mathew Cutler den Wettbewerb. Und ganz offiziell hat die Kleiderfrage nur einen winzigen und Gestik nur einen kleinen Einfluss darauf.

Wir sind beim Leistungssport. Die Crème de la Crème der AmateurtänzerInnen in den Disziplinen Standard und Latein ist am Samstag nach Bremen gekommen. Zum ersten Mal war die Stadthalle Austragungsort der ARD-Masters-Gala, in der die Paare in drei Turnieren um den Cup in der jeweiligen Disziplin konkurrieren. Wer nicht nur die von Sponsoren vergebenen Preise bei den Einzelwettbewerben gewinnen will, muss dreimal topfit sein. Dass deutsche Meister wie die Standard-FormationstänzerInnen vom TC Allround Berlin und die elffachen Weltmeister der Lateinformation vom TSG Bremerhaven im Pausenprogramm auftreten, unterstreicht die Klasse dieser Masters-Gala.

Dreimal müssen die FinalistInnen das jeweils aus fünf Tänzen bestehende Programm tanzen. Technisch unterscheiden sich die TeilnehmerInnen, die meist seit ihrer Kindheit trainieren, nur in Minimalgraden der Perfektion voneinander. In der gut besuchten, aber keineswegs ausverkauften Stadthalle möchte kaum jemand im Publikum mit den Preisrichtern tauschen. So geschmeidig erscheinen alle 14 Paare im Standard-Wettbewerb, und so virtuos tanzen auf den ersten Blick alle 16 Paare in der Latein-Ausscheidung den offenbar modischen Wechsel rasanter Drehungen und abrupter Pausen.

Wo die Klasse fast Allgemeingut ist, rückt die „Nebensache“ ins Zentrum. Vor allem im offen beurteilten Wettbewerb der jeweils sieben Finanalisten-Paare und dabei mehr noch im Latein- als im Standard-Tanz scheinen Choreographie, Charakterbilder und schließlich auch Gescmacksfragen den Ausschlag zu geben. Was Baz Luhrmann in seinem halb satirischen, halb aschenputtel-rührigen Film „Strictly Ballroom“ schon auf's Korn genommen hat, trifft zu: Das finnische Paar Väänänen/Koukkula kommt mit einer frechen und ironisierten Auffassung der Latein-Tänze nicht ins Finale – die Briten Cutler/Cutler mit ihrer „rassigen“, sex-protzenden und freilich hervorragenden Performance gewinnen es. Dass Cutler/Cutler und die Sieger im Standard, William Pino und Alessandra Bucciarelli, jeweils 34 von 35 möglichen Einser-Noten erhalten und das Bremer Turnier souverän für sich entscheiden, lässt den neugierigen Beobachter mit Misstrauen aus der Halle gehen. Christoph Köster

P.S.: Die Lokalmatadoren im Latein-Wettbewerb, Roberto Albanese und Uta Derharde, sind schon in der Vorrunde ausgeschieden.

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