: Westler erhebt Anspruch auf das Hotel Metropol
■ Ein 84jähriger Westberliner erhebt Anspruch auf mehrere Grundstücke in der Ostberliner Friedrichstraße / Heute stehen dort das Hotel Metropol und das Handelszentrum der DDR / Grundbesitzerverein mahnt Westeigentümer zur Besonnenheit bei DDR-Besitzansprüchen
Mit eigener Arbeit, gegen harte Silbertaler sei der Besitz schon im guten alten Preußen erworben worden. „Besitz war damals kein Spekulationsobjekt, sondern das Lebensalter wurde damit abgesichert. Leider steht heute allerdings auf diesem Grundstück das Hotel Metropol“, und das könne man ja nicht einfach in die Luft jagen. Ein rüstiger 84jähriger Herr erklärte gestern vor der Presse, er sei der rechtmäßige Eigentümer der Gundstücke in der Ostberliner Friedrichstraße, auf denen heute das Handelszentrum der DDR und das Renommierhotel Metropol stehen. Seinen Namen möchte er jedoch nicht in der Öffentlichkeit preisgeben, denn, wie sein Vorredner, der Vorsitzende des Bundes der Berliner Haus - und Grundbesitzervereine Blümel erklärte, sei er aufgrund seines hohen Alters einem internationalen Medienrummel nicht gewachsen.
Als klaren Höhepunkt einer Pressekonferenz zu dem kniffligen Thema von westdeutschen Grundstücken in der DDR präsentierte Blümel den 84jährigen Westberliner - nennen wir ihn Herrn A. -, dem eine ganze Reihe von Grundstücken in der Friedrichstraße gehören. Als Beleg für die Richtigkeit dieser Behauptungen wird ein Schreiben des Ostberliner Magistrats verteilt, aus dem hervorgeht, daß die betreffenden sieben Grundstücke in der Friedrichstraße „auf der Grundlage der Rechtsvorschriften der DDR in Anspruch genommen und in Volkseigentum überführt“ worden seien.
Den Besitz, führt Herr A. aus, habe seine Familie über mehrere Generationen erworben und gehalten. Der Grundstein sei im Jahr 1840 von seinem Großvater gelegt worden. Noch in den fünfziger Jahren sei die Familie A. in den Grundbüchern des Ostberliner Magistrats als Eigentümer festgehalten. Danach habe Herr A. noch eine Zeit lang regelmäßig Abrechnungen und Berichte erhalten, eines Tages war es jedoch damit zuende. „Eigene Initiative war danach nicht mehr möglich“. Deswegen sei auch der Vorwurf von östlicher Seite, viele Westeigentümer hätten sich nicht um ihren Besitz gekümmert, so ungerecht. Auf seine letzte Anfrage, was denn aus den Grundstücken geworden sei, habe er nie eine Antwort bekommen. Nach der Maueröffnung habe er wieder beim Magistrat vorgesprochen. Die Antwort: „Die Grundstücke unterliegen der staatlichen Verwaltung. Die mit der Entschädigung in Zusammenhang stehenden Fragen gehören zu den offenen Vermögensfragen, die zwischen der DDR und Berlin (West) noch nicht geregelt wurden.“
Die Grundstücke, die zum letzten Mal 1935 auf einen Wert von 3,5 Millionen Reichsmark geschätzt worden sind, dürften heute den Schätzungen des Hausbesitzervereins zufolge 37 Millionen Mark wert sein. Der Fall von Herrn A. steht exemplarisch für ca. 150.000 Grundstücke von Westberlinern in der DDR, die 1945 entweder aus der DDR geflohen sind oder enteignet wurden. Bundesweit werden die Ansprüche von West -Bürgern auf knapp 800.000 Grundstücke geschätzt. Als eine Konsequenz der Maueröffnung steigt die Unruhe sowohl unter Bewohnern der DDR als auch der Bundesrepublik und West -Berlin, denn viele West-Bürger hoffen jetzt, ihre alten Grundstücke entweder zurückzubekommen oder wenigstens angemessen entschädigt zu werden. Viele DDR-Bürger zittern um ihre in gutem Glauben erworbenen Häuschen und wehren sich, wie in Vororten von Berlin bereits geschehen, zum Teil handgreiflich gegen Westler, die ihre alten Häuser oder Grundstücke suchen.
Die Klärung der Frage, wer denn nun rechtmäßiger Besitzer ist, wird sich über Jahre hinziehen und Generationen von Juristen beschäftigen. Selbst die Lobby der Grundbesitzer, der Grundbesitzerverein, mahnte West-Bürger gestern zur Besonnenheit. Niemand solle in die DDR fahren und auf die Idee kommen, dort Grundstücke zu vermessen, man müsse auf die Gefühle der dort lebenden Menschen Rücksicht nehmen.
Kordula Doerfler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen