: „Werder gab nicht mal Trikots“
■ Pilotprojekt SZ-Kornstraße: Multinationale Schülergruppe fand keine Sponsoren für Türkeireise
Heute früh fahren sie los: 16 SchülerInnen aus vier Nationen, begleitet von ihren beiden Lehrern Hüseyin Teker und Peter Balzer. In einem Pilotprojekt des Schulzentrums Kornstraße fliegen die dreizehn Jungen und drei Mädchen für zwei Wochen in die Türkei. Nur 16 von den ursprünglich 30 Anmeldungen sind übrig geblieben. Besonders die deutschen Jugendlichen sind, zum Teil im letzten Moment, von dem Projekt abgesprungen: Nur zwei Deutsche sind in der Gruppe, außerdem vier Iraner, ein Jugoslawe, der Rest TürkInnen. „Das hat uns schrecklich enttäuscht, aber wir wollten die Reise nicht deswegen im letzten Moment platzen lassen“, erzählt Oktay Yavuz, für den die Fahrt gleichzeitig die Abschlußfahrt seiner Schulzeit ist. Die deutschen SchulkameradInnen seien zwar begeistert gewesen, hätten aber dann („weil es der Vater nicht erlaubt oder weil sie in den Ferien
arbeiten müssen“) doch zurückgezogen, berichtet Oktay.
Nach einem Vortrag der Landeszentrale für Politische Bildung über derartige Reiseprojekte zur Pädagogik gegen Rechtsextremismus entwickelten die Lehrer Balzer (Kunst, Sport und Englisch) und Teker (er betreut die ausländischen Schüler in Stützgruppen und Vorbereitungskursen) das Angebot an die Schüler der Jahrgangsstufen 9 und 10. „Über Sport ist sehr viel mehr soziale Interaktion möglich als über Medien, die an Sprache gebunden sind“, erklärt Peter Balzer. Besonders in den Fußballkursen sei es gelungen, Schüler verschiedener Nationalitäten zusammenzuführen (im Schulzentrum Kornstraße sind 32 % der 570 Schüler Ausländer). Deshalb ist ein Hauptbestandteil der 14tägigen Reise an die türkische Ägäis auch der Kontakt zu türkischen Sportvereinen und Schulen, um daraus längerfristige Schüleraustausche zu entwickeln. Für die Zeit im Zeltcamp sind deswegen Fuß-und Volleyballturniere geplant.
600 Mark (statt 1.000) zahlen die TeilnehmerInnen für die Flugreise - „das ist für die meisten sehr viel“ sagt Hüseyin Teker. Sozialamt und die Landeszentrale für politische Bildung seien „sehr großzügig“ gewesen. Außerdem hatten die Schüler gejobbt und mit Aktionen seit April zur Finanzierung beigetragen. Drei von ihnen hatten für die 55 LehrerInnen ihrer Schule an zwei Vormittagen ein internationales Frühstücksbüffet organisiert. „Am ersten Tag hatten wir zuwenig Brötchen, am zweiten war's dann perfekt - nix blieb übrig“, berichtet Ashkan Shekarchian aus dem Iran. Unkostenbeitrag pro Nase: 10 DM. „Ich habe Zeitungen ausgetragen, auf dem Markt mitgeholfen und Aushilfsjobs angenommen“ erzählt Tarek Caliskan (aus der Türkei), der unbedingt mitfliegen wollte, um gemeinsam mit seinen langjährigen Schulfreunden Abschied zu feiern. Sein aus Jugoslawien stammender Freund Garanco Petrovski (die beiden sind zusammen aufgewachsen) nickt Zustimmung. Oktay, wie das Gros der Gruppe mit türki
schen Eltern, will „zu den Jungs in der Türkei guten Kontakt knüpfen: Wir sind bei denen doch nicht gut angesehen, weil wir hier in Deutschland leben.“
Enttäuscht sind die 16 nicht nur über den Rückzug ihrer deutschen Schulfreunde, denen sie ihr Heimatland und ihre Landsleute als besonders gastfreundlich vorführen wollten auch die Zurückweisung ihrer Anfragen bei Sponsoren hat Wunden hinterlassen: Noch nicht einmal den Wunsch nach Werder-Trikots für das geplante Schüler-Fußballturnier an der Ägäis wollte man ihnen erfüllen. „Wir bekommen täglich solche Anfragen, und der Etat ist erschöpft“ lehnte Werder -Chef Lemke ab, obwohl Lehrer Balzer werbewirksame Presseberichte über das Projekt in Aussicht stellte. Er hatte gehofft, so den Namen Bremens ins Feld führen zu können. Auch Mercedes, Becks und andere finanzkräftige Firmen zeigten keinerlei Bereitschaft, die multinationale Bremer Reisegruppe (aus vorwiegend sozialschwachen Familien) zu unterstützen.
Birgitt Rambalski
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