Werder Bremen macht sich Mut: Wird schon werden
Ist doch alles nicht so schlimm: Werder Bremen verliert in der Champions League gegen Enschede und findet sich trotzdem gar nicht übel.
Gäbe es für den Begriff "Greenwashing" eine Entsprechung im Fußball, also für das schöne Verpacken schädlicher Inhalte, dann müsste man ihn auf jeden Fall auf die Öffentlichkeitsarbeit von Werder Bremen nach der verheerenden 0:2-Nierderlage gegen Twente Enschede anwenden. "Das haut uns nicht um", sagte Per Mertesacker und lobte das "Innenleben" der Mannschaft. Kapitän Torsten Frings, der noch nach der Niederlage gegen den 1. FC Nürnberg am Samstag die gesamte Mannschaft zusammengestaucht hatte, schlug in die gleiche Kerbe: "Es klingt zwar komisch, aber wir müssen so weiterspielen, gemeinsam ackern, fighten und kämpfen."
Diese Botschaft wollte Trainer Thomas Schaaf seinen Spielern ohne jede Zeitverzögerung mit auf den Weg geben. Statt zum verabredeten TV-Interview marschierte er direkt nach dem Spiel in die Kabine. "Es war wichtig, unter uns zu reden und anzusprechen, dass es heute zwar nicht das Gelbe vom Ei war, aber man deutlich gesehen hat, dass man sich verbessern wollte." Die Vehemenz, mit der hier Leistungsbereitschaft als Erfolg gefeiert wurde, lässt nichts Gutes über den aktuellen Zustand dieser fußballerischen Primärtugenden bei Werder vermuten.
Nach allen drei Niederlagen dieser englischen Woche, im Pokal bei den Bayern sowie gegen Nürnberg und Enschede, verbreiteten die Bremer die Gewissheit, eigentlich die bessere Mannschaft gewesen zu sein. Man habe "nur" vorne seine Chancen nicht genutzt und hinten zu viele Fehler gemacht. Gegen Enschede bot Werder tatsächlich bis zum Platzverweis von Torsten Frings in der 75. Minute begeisternden Angriffsfußball. Da hätten allerdings die offensivstarken Holländer schon längst führen müssen. Die Bremer Notabwehr, in der Frings den Innenverteidiger gab und Wesley den zuletzt desolaten Silvestre vertrat, konnte sich mehrfach bei Torwart Mielitz bedanken, dass es noch 0:0 stand.
Auch dieses Unentschieden hätte Werder noch im Rennen gehalten, doch die Mannschaft rannte in Unterzahl kopflos in zwei Konter. Unter dem Strich steht eine englische Woche, an deren Beginn die Bremer noch in allen drei Wettbewerben vertreten waren und an deren Ende sie sich nun als Tabellen-Elfter auf die Aufholjagd in der Bundesliga konzentrieren können. Die Hoffnung, mit zwei Siegen gegen Tottenham Hotspur und Inter Mailand in Europa weiter mitspielen zu dürfen, erfordert neben viel Rechenkunst auch "viel Fantasie", wie selbst Optimist Schaaf einräumen musste.
Werders Trainer erinnerte daran, dass man sich auch in den letzten Jahren immer wieder aus schwierigen Situationen herausgekämpft habe. Und zwar mit Arbeit, Arbeit, Arbeit. Aber im Umfeld schwindet langsam das Vertrauen in die alten Rezepte, neue werden vermisst. Die Blutauffrischung der Mannschaft scheint in dieser Saison gründlich danebengegangen zu sein. Die Last-Minute-Verpflichtung von Mikael Silvestre hat das Dauer-Problem auf der linken Abwehrseite eher noch verschärft. Und der Weggang von Mesut Özil hat unübersehbar zum Qualitätsverlust in der Offensive geführt.
Die Aufgaben des Spielmachers sollten auf mehrere Schultern verteilt werden. Das sieht bisher oft so aus: Wesley muss ständig in der Abwehr aushelfen, Arnautovic ist absolut unberechenbar, Marin und Hunt tauchen in schwierigen Situationen ab, Pizarro reibt sich zwischen Mittelfeld und Angriff auf. Dazu kommt, dass Schaaf gegen seine sonstige Gewohnheit ständig umstellt. Almeida für Arnautovic, Arnautovic für Hunt und wieder zurück. Dabei lebt Werders Kombinationsspiel von Automatismen und eingespielten Positionswechseln.
Nachdem die Nerven nach dem Nürnberg-Spiel noch blank lagen und die Finger in die Wunden gelegt wurden, verpassten sich die Bremer am Dienstag gegenseitig Beruhigungspflaster. "Wenn wir an die geschlossene Mannschaftsleistung von heute anknüpfen, dann wird das schon", sagte Torwart Sebastian Mielitz. "Im Fußball geht es schließlich immer weiter." Fragt sich bloß: wie?
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