Werbung: Die Eingeschnappten
Nach kritischen Berichten stornieren Unternehmen Anzeigen und Werbung in Medien - "Edeka" bei Bertelsmann, "Hermes" beim ZDF. Die Firmen leugnen einen Zusammenhang. Alles nur Zufall?
Edekas PR-Abteilung hätte es kaum besser inszenieren können: Edeka-Chef Alfons Frenk "hat", schrieb der Stern am 26. Juli, "den Konzern zur unangefochtenen Nummer eins im Lebensmittelhandel gemacht". Ein Foto zeigt Frenk auf einem Siegerpodest aus Getränkekisten.
Der zugehörige Artikel ist nicht unkritisch. Dennoch: In Kombination mit dem Foto wirkt er wie eine Besänftigungskampagne. Während einige MitarbeiterInnen von Gruner & Jahr diesen Vorwurf als absurd bezeichnen, verleihen andere doch zumindest ihrer Verwunderung darüber Ausdruck. Denn Edeka und die Financial Times Deutschland (FTD) lagen vor Kurzem im Rechtsstreit. Die FTD - wie der Stern gehört sie zu Gruner & Jahr - hatte im März berichtet, der Verkauf der Baumärkte, die der Tochter Marktkauf gehören, werde für Edeka teuer, man müsse eine Mitgift an den Konkurrenten Rewe zahlen. Edeka wehrte sich juristisch, am Ende stand ein Vergleich.
Allerdings zog Edeka bei den Bertelsmann-Töchtern Gruner & Jahr und RTL auch Werbespots und Anzeigen in Millionenhöhe zurück. Insider, auf die sich der Spiegel beruft, gehen davon aus, der Grund seien besagte FTD-Artikel. Bei Edeka heißt es gegenüber der taz, die Stornierung habe mit einer Umschichtung des Werbebudgets zu tun - und nichts mit der FTD-Berichterstattung. Dass es einen Zusammenhang gibt, ist aber denkbar.
Denn erstens ist es nicht unüblich, dass Unternehmen versuchen, auf Redaktionen über Anzeigenboykotte Einfluss auf Inhalte zu nehmen - die Deutsche Bahn zog einmal Anzeigen in Capital zurück, Lufthansa stornierte Werbung in der Süddeutschen Zeitung, die Badische Zeitung hatte Ärger mit Lidl. Die Liste ist lang. Und zuzutrauen wäre es auch der Konzernführung von Edeka, dass sie auf solche Druckmittel zurückgreift.
Ein anderer aktueller Fall, in dem die Auflösung der Trennung von Redaktion und Anzeigenabteilung infrage gestellt wird, betrifft das ZDF: Die Redaktion von "Wiso" hatte kritisch über den Hermes-Paketshop berichtet - ein Paket kam nicht an, Hermes-Sprecher Martin Frommhold gab vor der Kamera den Fehler zu, das ZDF strahlte es aus, bei Hermes fand man den Beitrag "unschön", wie Frommhold der taz sagte. Die Unabhängigkeit der Redaktion respektiere man aber natürlich.
Und doch verzichtet Hermes nun auf Spots im ZDF, deren Ausstrahlung offenbar eine sechsstellige Summe kosten würde. Es gab wegen des Beitrags auch einen Mailwechsel zwischen Hermes und der ZDF-Werbeabteilung. Frommhold sagt: Einen Zusammenhang zwischen der "Wiso"-Kritik und den Stornierungen gebe es nicht. "Richtig ist: Die Marketingpläne werden ständig überprüft." Richtig ist aber auch: Es ist ein eigenartiger Zufall.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid