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Werbung mit gestreßtem Papa

Lernprogramme erobern den Software-Markt, sind aber oft mangelhaft / Geschenke reicher Großeltern / Neuester Schrei: Der Laptop fürs Kind  ■ Von Henry Lohmar

Der achtjährige Moritz sitzt vor dem Computer und staunt: Soeben ist der „gelbe dreiäugige Müllfiesling“ auf dem Bildschirm erschienen und hat Spot, den Bordmechaniker seines Raumschiffs, entführt. Nun soll Moritz auf der Suche nach Spot durch den Cyber-Weltraum fliegen. Unterwegs muß er jede Menge Müll einsammeln und – Mathematikaufgaben lösen.

Das Computerspiel heißt „Mathe-Blaster“ und ist das meistverkaufte Mathematikprogramm der Welt, erdacht für Schüler im Alter von sechs bis zwölf Jahren. Mehr als 1,5 Millionen Kinder auf der ganzen Welt besitzen es. 98 Mark zahlen die Eltern dafür in der Hoffnung, ihr Kind möge in Zukunft nur noch „mit Spaß lernen“, wie es die Werbung verspricht. Ein leistungsfähiger PC, die „Systemvoraussetzung“, ist nicht unter 2.000 Mark zu haben.

Die „Mathe-Blaster“-Benutzer sind noch nicht die jüngste Zielgruppe der Programmierer. Es gibt bereits Programme für Drei- bis Fünfjährige. Zum Beispiel „Super Bat – Im Land der Richtungen“, ein Lernprogramm zur räumlichen Orientierung. Wie früher Grobi in der Sesamstraße erklärt eine grüne Fledermaus den Unterschied zwischen Oben und Unten, die Bedeutung von Auf, In, Unter, ...Preis: 69 Mark, Systemvoraussetzungen wie beim „Mathe-Blaster“. Da war Grobi billiger, und außerdem konnte er unnachahmlich hecheln.

Die sogenannte „Lernsoftware“ verkauft sich blendend. Meist sind es Schulbuchverlage, die den Lehrstoff auf Diskette oder CD-ROM herausbringen. Akin Duyar, Verkaufsleiter des Software-Ladens „logibyte“ in der Schöneberger Hauptstraße, hat eine eigene Abteilung für Kinderprogramme eingerichtet. Den Umsatzanteil der Lernsoftware im Spiele- und Bücherbereich seines Geschäfts schätzt Duyar auf zehn bis zwanzig Prozent, Tendenz steigend.

„Es kommen immer mehr Eltern, um für ihre Kinder das passende Lernprogramm zu kaufen.“ Besonders am Jahresende, wenn die „blauen Briefe“ von den schlechten Schulleistungen der Kinder zeugen, steigen die Absatzzahlen. Offenbar sind viele der Meinung, die letztendich billigeren Programme könnten den Nachhilfelehrer ersetzen.

Sabine Dübbers, Referentin für Bildungspolitik der Berliner Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, betrachtet diesen Trend eher skeptisch: „Wir regen uns auf, daß die Kinder nicht mehr in der Lage sind, zu kommunizieren. Der Computer birgt die Gefahr, daß der Lernprozeß noch mehr entsozialisiert wird.“ Dabei erkennt sie die technischen Möglichkeiten der Programme durchaus an, nur dürfe dabei nicht das aktive Handeln mit den Kindern vernachlässigt werden. Ein anderes, grundsätzliches Problem der Computer sei, daß „zum Teil sehr bedenkliche Spiele“ getauscht würden, wenn die „Kiste“ erst einmal stehe.

Nicht nur die Softwarehersteller bemühen sich verstärkt um die Kinder. Sogenannte „Lerncomputer“ erobern zunehmend die Regale der Spielzeugläden. Neuester Schrei: Der Laptop fürs Kind. „Mein Notebook sieht aus wie der von Papa“, wirbt die Firma „VTech“ für ihr Mittelklasse-Modell „Genius Leader Notebook“ (für Kids ab sieben Jahre). Tatsächlich ist das Gerät äußerlich kaum von der Erwachsenenvariante zu unterscheiden. Doch neben der Identifizierung mit dem vielbeschäftigten Vater dient das Ganze auch einem pädagogischen Zweck: Auf einer Windows-ähnlichen Oberfläche kann der junge Computerfreak etwa 1.000 Quizfragen aus den Bereichen Erdkunde, Tierwelt, Natur und Umwelt abrufen. Ein Musikprogramm ermöglicht das Komponieren und Speichern eigener Titel. Sind alle Möglichkeiten ausgeschöpft, muß der „Genius Leader“ nicht zwischen dem alten Spielzeug verstauben: Erweiterungskassetten mit Sonderprogrammen sind im Handel erhältlich.

Die Qualität der Geräte läßt jedoch oft zu wünschen übrig. Peter Knaak, Redakteur bei der Stiftung Warentest, hält die Junior-Laptops für ein „typisches Produkt für Großeltern, die viel Geld haben und nicht wissen, was sie ihren Enkeln schenken sollen“. Die zum Teil sinnlosen Programme würden durch schlecht ablesbare Displays und unübersichtliche Bedienelemente unbefriedigend umgesetzt. Zwischen 120 und 300 Mark kostet das die Familie.

Und da ernsthaft am Lerneffekt einiger Programme gezweifelt wird, hilft wohl nur der Selbstversuch: Bei „Spiele-Max“ am Kurt- Schuhmacher-Platz teste ich den „Laptop Junior“ der Firma „Team Concepts“. „Was ist das Gegenteil von Dose?“ ist nur eine der ominösen Fragen, die mir die schwer verständliche Stimme aus dem Computer stellt. Während ich grüble, weshalb von den drei möglichen Antworten „Flasche“ die richtige ist und nicht Becher oder Büchse, schüttelt eine interessierte Mutter neben mir den Kopf. „Früher“, sagt sie, „da haben wir Stadt-Land- Fluß gespielt. Dabei konnte man noch was lernen.“ Systemvoraussetzung damals: Zettel, Bleistift und Mitspieler.

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