Werbung für Berlin-Wahl: Sarrazin hält Kopf für Rechte hin
Wahlwerbung mit bekanntem Kopf: Die rechtspopulistische Bürgerbewegung pro Deutschland wirbt im Wahlkampf für die Berlin-Wahl mit Thilo Sarrazin.
BERLIN dapd | Die rechtspopulistische und islamkritische "Bürgerbewegung Pro Deutschland" benutzt den Ex-Bundesbanker und früheren Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) für ihre Werbung zur Berliner Abgeordnetenhauswahl. Auf Plakaten steht unter einer durchgestrichenen Moschee der Slogan "Wählen gehen für Thilos Thesen!".
Sarrazin weilt nach Angaben seines Verlages derzeit im Ausland und ist nicht persönlich für eine Stellungnahme erreichbar. Sarrazin hatte in seinem 2010 erschienenen Buch "Deutschland schafft sich ab" und in der Debatte darüber umstrittene Thesen zur Integration von Zuwanderern vertreten. Äußerungen über eine angeblich erbliche Dummheit muslimischer Einwanderer und ein jüdisches Gen lösten bundesweit Empörung aus.
Unter Druck trat Sarrazin im Herbst vergangenen Jahres als Bundesbankmanager zurück. Die SPD, die ihn zunächst ausschließen wollte, gab ihre Pläne im Frühjahr 2011 auf. Sarrazin hatte zuvor erklärt, dass er keine sozialdemokratischen Grundsätze verletzen oder Migranten diskriminieren wolle.
Sarrazin hatte sich erst kürzlich gegen die NPD zur Wehr gesetzt
Plakate mit dem Sarrazin-Bezug hängen unter anderem an Laternenmasten in den Stadtteilen Marzahn und Mitte. Die SPD wollte den Vorgang nicht kommentieren. Die Berliner Parteien hatten am Wochenende mit der öffentlichen Werbung im Stadtbild begonnen.
Sarrazin hatte sich bereits im April erfolgreich juristisch dagegen gewehrt, dass die rechtsextreme NPD mit seinem namentlich zitierten Satz warb: "Ich möchte nicht, dass wir zu Fremden im eigenen Land werden." Vor dem Landgericht erwirkte er dagegen eine einstweilige Verfügung.
Die Bewegung Pro Deutschland, die bei der Berliner Wahl am 18. September antreten wird, rekrutiert sich unter anderen aus Mitgliedern der NPD und weiterer rechter Parteien wie die Republikaner und die DVU.
Ärger in Kreuzberg
Sarrazin hatte zuletzt in Berlin für Schlagzeilen gesorgt, als er Mitte Juli - begleitet von einem Kamerateam für die ZDF-Kultursendung "Aspekte" - durch den Bezirk Kreuzberg gelaufen war. Dabei wurde er ausgebuht. Ein Ladeninhaber und die Alevitische Gemeinde ließen vereinbarte Treffen platzen. Der Rundgang wurde deshalb vorzeitig abgebrochen.
Gegen die Ausstrahlung des ZDF-Beitrags hatten einige Tage später mehrere Linke und Autonome in Kreuzberg protestiert. Bei dem sogenannten Public Buhing wurde die Sendung auf einer Leinwand gezeigt. Teilnehmer skandierten dazu unter anderem "Sarrazin raus aus Kreuzberg".
Kritiker warfen dem ZDF einen "inszenierten Eklat" vor. Die teils wütenden Reaktionen seien vorhersehbar gewesen, betonte der Deutsche Kulturrat. Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB) bezeichnete den Besuch als "Provokation".
Der RBB beendete kurz nach dem ZDF-Beitrag die Zusammenarbeit mit der Autorin Güner Balci, weil er die Exklusivität einer eigenen Dokumentation beeinträchtigt sah. Die Journalistin sollte für den RBB ein Jahr nach Veröffentlichung des Sarrazin-Buches ebenfalls einen Film über die Thesen und die Debatte machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge