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Wer rettet rostige Rahen?

■ Schulschiff Deutschland bröselt vor sich hin/ Aktion „Jeder Bremer spendet fünf Mark“

Das Schulschiff? Das ist doch der Dreimaster gleich hinter der Eisenbahnbrücke, da lernen die Matrosen das Segeln. Damit hört das Wissen der meisten BremerInnen über das „Schulschiff Deutschland“ schon auf. Und hiervon ist auch noch die Hälfte falsch: Die 13 jungen Leute (darunter eine Frau), die man zur Zeit öfters an Deck sieht, sind zwar angehende Matrosen, heute Schiffsmechaniker geheißen - ihr eigentlicher Ausbildungsplatz sind jedoch die Containerschiffe, Fähren und Frachter deutscher Reeder. In Bremen besuchen sie nur die private Berufsschule gegenüber dem Segelschiff. Das Schiff dient vor allem als Unterkunft für die Azubis. Nur im Schiffsbauch gibt es noch einige Ausbildungsplätze, einen bullaugenlosen Takelboden zum Beispiel, wo die Azubis mit dem Tampen eine Talje (Flaschenzug) scheren lernen. Außerdem im Schiffsbauch: Metallwerkbänke und Schweißkabinen.

Segeln gehört seit 1945 nicht mehr zur Ausbildung. Mit dem Schulschiff gäbe das ohnehin ein Unglück: Manch Seil ist schon so rostzerfressen, daß die Stahlfasern geborsten abstehen. 3,2 Millionen würde die Überholung der Takelage und des Wetterbodens kosten, sagt „Kapitän“ und Schulleiter Harm Müller-Röhlck. Dazu kämen noch 400.000 Mark Restschulden von der Sanierung 1987. Im Januar 1987 hatten sich auf der zugefrorenen Weser Frachtkähne losgerissen und das Schulschiff gerammt.

Könnten nicht die Jungs selbst ein bißchen Hand anlegen...? „Die haben doch schon ihre 36 Stunden Unterricht in der Woche“, sagt da der Schulleiter. Vor zehn Jahren, als noch im Schnitt 50 Leute hier lernten, war das mal anders: die haben zum Beispiel den mittleren Masten neu gestrichen. Die Zeiten sind vorbei: „Ich kenne in Bremen keine Reederei, die noch ausbildet“, sagt Müller-Röhlck. Viele Handelsschiffe sind ausgeflaggt, an Bord arbeiten vorwiegend geringbezahlte Philippinos, nur noch die OffizierInnen sind Deutsche. Kein Wunder, daß viele der derzeitigen Bremer Azubis nach ihrer Ausbildung gleich weiterstudieren wollen: Maschinenbau oder Nautik.

Wenn das Schiff aber nur als Internat dient, warum dann erhalten? Kapitän Müller-Röhlck hat diese Landratten-Frage schon geahnt: Weil es ein technisches Denkmal sei, das in der BRD einzige erhaltene Vollschiff, also mit drei Masten versehen und vollgetakelt. Der Verein Schulschiff Deutschland hat nun einen Spendenaufruf losgesandt, unterschrieben vom leidenschaftlichen Segler und gebürtigen Bremer Hans-Joachim Kuhlenkampff (Kuli). Motto: „Flagge zeigen für ein stolzes Schiff - Jeder Bremer spendet fünf Mark“ (Konto des deutschen Schulschiffvereins bei der Sparkasse Bremen, Nr. 1111400).

Außerdem will der Verein das Schiff unter Denkmalschutz stellen lassen, um so an Landes- und EG- Mittel zu kommen. Doch da sieht Peter Hahn vom Landesdenkmalamt noch einige Hürden: Das Schiff muß für die bremische Geschichte von “besonderer Bedeutung“ sein, so steht es im Denkamlschutzgesetz, die Erhaltung muß aus wissenschaftlichen, künstlerischen, technischen oder heimatgeschichtlichen Gründen im öffentlichen Interesse liegen. Darin aber, daß das Schiff 1927 in Bremerhaven gebaut worden ist, sieht Hahn noch keine besonderer Bedeutung für die bremische Geschichte. Geprüft werden müßte, ob nicht durch die häufigen Umbauten zum Internatsbetrieb die Originaltiät stark gelitten habe. Eine wissenschaftliche oder künstlerische Bedeutung liege dem Augenschein nach nicht vor, bliebe also die technische Bedeutung, die aber eben eine „besondere“ sein müßte. Na und dann sei es ein weitverbreitetes Mißverständnis, daß sich die Töpfe öffneten, sobald ein Objekt unter Denkmalschutz gestellt sei. Sowas kann Kapitän Müller-Röhlck nicht entmutigen. Zur Not würde man auch Hamburg fragen. „Nach so einem Schiff schleckt sich doch jede Stadt die Finger.“ Christine Holch

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