Wer rettet die Deutschen im Viertelfinale?: Die Perle unter lauter Säuen

Nach dem 1:0 gegen Österreich steht die deutsche Mannschaft im Viertelfinale - und hat ein Problem. Wer kann das lösen? Michael Ballack?

"Das Tor hat eh alles gesagt": Michael Ballack und seine Jubeljungs. Bild: reuters

WIEN taz "Das Tor hat eh alles gesagt, einmal bum in den Winkel - und fertig." Andreas Herzog, der Manager des österreichischen Teams, war noch aufgewühlt von den Ereignissen rund ums Entscheidungsspiel in Gruppe B, doch wer den Unterschied ausgemacht und wer das deutsche Spiel entscheidend geprägt hatte, das wusste Herzog: Michael Ballack. Mit einem raketenschnellen Freistoß hatte er das Siegtor geschossen im ausverkauften Ernst-Happel-Stadion.

Bum - Michael Ballack also mal wieder.

Er, der "Capitano" (Jürgen Klinsmann), ist der Schlüsselspieler dieser Mannschaft. Wer auch sonst? Miroslav Klose? Ist verunsichert. Jens Lehmann? Kriegt die Flatter, wenn der Ball in den Strafraum segelt. Christoph Metzelder? Ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Lukas Podolski? Ist noch nicht reif dafür. Der Rest? Ergänzungs- und Rollenspieler, derzeit jedenfalls, auf der Suche nach der WM-Form. In den ersten beiden Gruppenspielen war Michael Ballack kaum zu sehen, er spielte aber im Hintergrund einen höchst effektiven Part und erwies sich jeweils als laufstärkster Akteur der DFB-Elf. Er war vor allem mit Defensivarbeit beschäftigt - was seine wenig aufmerksamkeitheischenden Auftritte erklärt.

Um Ballacks undankbare Chefrolle zu erklären, muss man noch einmal grundsätzlich werden: Das deutsche Team spielt ja bekanntlich hinten mit einer Vierer-Abwehrkette. Vorn mit zwei Stürmern. Vier Kicker im Mittelfeld, zwei besetzen die Flügel. Sie stehen quasi in einer Bumerang-Formation, wahlweise auch auf einer Linie. Michael Ballack nimmt gemeinsam mit Torsten Frings die Position des 6ers ein, des defensven Mittelfeldspielers, der sich vor den Innenverteidigern postiert.

Und genau hier liegt das Problem: Ballack muss Löcher stopfen, Fehler ausmerzen und zu viel Kärrnerarbeit leisten, wenig kreatives Stückwerk. Warum hat sich Bundestrainer Joachim Löw dafür entschieden, Perlen vor die Säue zu werfen? Weil er auf Nummer sicher gehen will - Experimente will Löw sich nicht (mehr) leisten.

Klar, Ballacks Können ist auf dieser Position verschenkt, zumal er in Torsten Frings einen Kollegen neben sich hat, der erkennbar unter seinem Normalniveau spielt. Das heißt für Ballack: Er muss die Schwächen von Frings kompensieren, die Last des formschwachen Nebenmannes tragen. Der Schlüsselspieler reibt sich in einer Zone auf, die nicht wirklich die seine ist. Er muss das Spiel retten, wo er es doch lenken sollte. Könnte er wie bei seinem Heimatverein, dem FC Chelsea London, als Teil einer Mittelfeldraute agieren, dann sähe es sicher anders aus. Dann könnte Michael Ballack brillieren. Auch aus dem Spiel heraus.

Bei der Weltmeisterschaft in Deutschland gönnte sich Ballack noch wesentlich mehr Ausflüge in die Spitze. Als Exempel dient das Achtelfinal-Match gegen Schweden, als der 31-Jährige einen großartigen Tag erwischte. Er schoss zwar kein Tor, aber fast im Minutenrhythmus traktierte er den schwedischen Keeper Isaksson mit Fernschüssen. Damals konnte er sich auf Frings verlassen. Er wusste: Gehe ich nach vorn, wirds der Frings schon richten. Oder Bernd Schneider. Oder Bastian Schweinsteiger.

Obwohl die Österreicher am Montagabend erschreckend schwach spielten, einen gänzlich inferioren Auftritt hinlegten, schaffte es die DFB-Auswahl nicht, in der ersten Halbzeit ein Tor gegen diesen aufgescheuchten Kickerhaufen zu schießen. Zwar klappten zwei, drei "Pässe in die Tiefe auf die Spitzen" (Joachim Löw), aber das wars dann auch schon, das zentrale Mitteldeld um Ballack zog sich bald schon wieder zurück, verzichtete auf das Vertikalspiel, weil sie mit anderen Dingen beschäftigt waren. Sie ließen die Österreicher sogar ein wenig ins Spiel kommen, wenn man das überhaupt so nennen kann.

Eine Standardsituation war nötig, damit Ballack seinen Führungsanspruch untermauern konnte. Im Spiel gefangen in seiner Rolle, befreite er sich mit einem Freistoß, der eines Kanoniers würdig war. Weil Ballack es wollte, hat die DFB-Elf das Viertelfinale gegen Portugal am Donnerstag (ARD, 20.45 Uhr) erreicht. Er hebt das Team auf ein höheres Level.

Nach der Partie sagte der Kapitän: "Man konnte nicht erwarten, dass wir hier locker und befreit auftreten." Aber können sie das gegen die favorisierten Portugiesen? "Die hohen Ziele haben wir weiterhin", so Ballack, "aber wir treffen halt auf Portugal". Auf eine große Nummer.

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