: Wer bekommt den ostdeutschen Ölmarkt?
■ Westeuropäische Ölkonzerne planen in verschiedenen Konsortien den lukrativen Pipelinebau
Hamburg (dpa/taz) — Wer darf Ostdeutschland künftig mit Rohöl und Ölprodukten versorgen? Ein Milliardengeschäft winkt, denn beim rückläufigen Einsatz der schwefelhaltigen Ostbraunkohle wird Mitte der 90er Jahre der Ölverbrauch in den neuen Bundesländern zwischen 20 und 25 Millionen Tonnen pro Jahr liegen. Die großen westeuropäischen Ölfirmen haben sich zu Konsortien zusammengeschlossen, um gemeinsam Rohrleitungen, Tanklager und Raffinerien zu bauen. Allein drei Pipelines von West nach Ost sind in Planung. „Wenn das alles gebaut wird, stehen die Ostdeutschen bis zu den Knien im Öl“, warnt ein Branchenkenner. Das ist aber unwahrscheinlich.
Ein Projekt, das von ostdeutschen Politikern favorisiert wird, ist der Bau einer Pipeline für Rohöl von Rostock zu den Raffinerien Schwedt und Leuna. Da die Ostsee für große Öltanker zu flach ist, können nur 35.000-Tonnen-Tanker in Rostock anlegen. Der Ausbau zu einem Ölhafen wird zwar von Regionalpolitikern erträumt, wäre aber sicher die teuerste Lösung. Zudem hat Deutschland bereits mit Wilhelmshaven einen Ölhafen, der mit erheblichen öffentlichen Mitteln ausgebaut wurde und Öltanker mit Ladungen bis zu 250.000 Tonnen abfertigen kann.
Von dort will die Nord-West Oelleitung GmbH (NWO), an der zum Beispiel Wintershall, RWE-Dea, BP, Veba und Fina beteiligt sind, eine Rohrleitung für Rohöl nach Sachsen bauen. „Wir planen im Auftrag der ostdeutschen Raffinerien“, betont NWO-Sprecher Heiner Holzhausen. Die Pipeline könnte im Juli 1994 fertig sein und jährlich rund zehn Millionen Tonnen Rohöl in die ehemalige DDR transportieren. Bis dahin soll eine neue Raffinerie mit einer Kapazität von zehn bis zwölf Millionen Tonnen stehen, die der französische Elf-Konzern in Leuna bauen will.
Das NWO-Projekt hat bereits den Segen der Wirtschaftsminister von Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Horst Rehberger (FDP), ein Westimport in Magdeburg, kämpft dafür, daß nur Rohöl nach Ostdeutschland fließt und keine fertigen Produkte wie Benzin und Heizöl. Dann nämlich hätten die Raffinerien im Osten nichts zu tun. Deshalb hat er zwei andere Pipelines scharf ins Visier genommen, die unter den Kürzeln HSR und WPL firmieren.
Hinter der Wilhelmshaven Produktenpipeline (WPL) stecken Beta Raffineriegesellschaft mbH, die jüngst die ehemalige Mobil-Raffinerie in Wilhelmshaven übernommen hat und dem Einflußbereich Libyens zugerechnet wird, und die Wintershall AG sowie die Conoco. Die Partner wollen vor allem Halbfertigprodukte für die chemische Industrie in Leuna liefern. Damit konkurrieren sie mit der Hamburg-Sachsen-Rohrleitung (HSR), die über die Hamburg ebenfalls Fertigprodukte liefern will. In diesem Konsortium versammelt sich unter Führung von Shell die Creme der Branche: BP, Esso, Dea und Veba Oel. Die Planungen sind weit fortgeschritten.
Die beiden Produktenpipelines haben wenig politische Rückendeckung. Die neuen Länder wollen ihre eigene Ölindustrie stützen, den Niedersachsen liegt vor allem Wilhelmshaven am Herzen. Ob die Rohölpipeline gebaut wird, hängt allerdings auch davon ab, wieviel Raffineriekapazität im Osten entsteht — und das ist bislang nicht absehbar.
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