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„Wer Moral und Recht verquirlt...“

■ betr.: „Im Rampenlicht versteckt“ u. a. , taz vom 9. 1. 95

Die Frage, ob der fernsehöffentliche Exorzismus des Moderators Lutz Bertram einen ganz neuen Umgang mit der Stasi-Vergangenheit signalisiere, war der taz die Titelseite wert. Die Antwort lautet: Thema verfehlt. Denn dieser ORB-Fernsehabend demonstrierte unfreiwillig nur eine neue Variante von „Reality TV“ oder „The real world“. Ein ostdeutscher Chefredakteur (Singelnstein), betroffen wie ein Thälmann-Pionier, den sein Freund beim Lehrer angeschwärzt hat, und ein westdeutscher Ex-Chefredakteur im Osten (Grefrath) auf der Suche nach der Wahrheit und nichts als der Wahrheit, haben nicht verstanden, daß das Fernsehen keine moralische Anstalt ist. Wer – vom Aufklärungsschein der Mattscheibe getrübten Geistes – das Gegenteil glaubt, lebt ideell im 19. Jahrhundert.

Hinzu kommt: Wer Moral und Recht verquirlt, muß noch einmal auf die Journalistenschule. Die gesetzlichen Regelungen besagen, daß ehemalige Stasi-Leute beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht in festangestellter Position verbleiben dürfen. Für Freiberufler wie Bertram liegt die Entscheidung beim Sender. Beschlossen wurde die Trennung, über deren Konditionen noch zu feilschen sein wird. Daß Bertram gehen muß, hat allein mit der Glaubwürdigkeit eines Rechtssystems zu tun. Die Welt wird davon auch nicht besser.

P.S. Schade, daß der hochintelligente Radio-Performer Bertram nicht mehr zu hören sein wird! Dirk Schmidtke, Berlin

[...] Solange der kleine Behördenangestellte, der Lehrer, die Kindergärtnerin wegen des gleichen Delikts entlassen und – soweit Rentner – mit dem Rentenstrafrecht bedacht werden, das heißt einer reduzierten Rente eines fiktiven DDR-Durchschnittsbürgers, ist es einfach undenkbar und würde jeden Glauben an Gerechtigkeit vollends zerstören, wenn Bertram weiterhin wirken kann und ein horrendes Gehalt erhält.

Nachdem schon viele „Würdenträger“ der DDR den Sprung in die höchsten Etagen von Politik und Wirtschaft geschafft haben, wäre dies nur ein weiterer Beweis der These, daß immer der sogenannte kleine Mann der Dumme ist. [...] Gerhard Rosenberg, Berlin

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