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Wenn im Büro mehr gelästert als gearbeitet wird

■ Erste Berliner Mobbing-Beratungsstelle eröffnet. Krankenkassen tragen Kosten

Mop drüber, und vorbei ist das Mobbing. Nein, so einfach ist das nicht. Durch Mobben am Arbeitsplatz können hochkomplizierte zwischenmenschliche Fehlkonstellationen entstehen, an denen Persönlichkeiten zerbrechen und auch Betriebe nachhaltigen Schaden nehmen können. Gestern eröffnete die erste Mobbing-Beratungsstelle Berlins für alle, gegen die in Betrieben, Fabriken, Krankenhäusern systematisch intrigiert wird.

Drei psychologisch und pädagogisch geschulte Frauen bieten in der Beratungsstelle Am Köllnischen Park Einzel- und Gruppenkonsultationen an. Die 85 Mark pro Sitzung werden von den meisten Krankenkassen übernommen. Ärztliche Studien belegen, daß Mobben psychosomatische Erkrankungen nach sich ziehen und in einigen Fällen sogar bis zum Selbstmord führen kann. Etwa 20 Prozent der Selbstmordfälle in Deutschland würden jedes Jahr durch Mobben augelöst, berichtete Thomas Böcker von der Mobbing- Beratungsstelle in Frankfurt. Böcker gehört zum Büro für Organisationsberatung und Supervision „profile“ in Hannover, das mit der Berliner Einrichtung die dritte dieser Art auf den Weg bringt.

Ein wichtiger Punkt ihrer Arbeit sei auch das Gespräch mit den „Mobbern“, betonte Böcker. Man habe beobachtet, daß es Leute gebe, die mehr Freude am Mobben als am Arbeiten hätten. Einen Betrieb kann das teuer zu stehen kommen. In einem Hamburger Unternehmen beispielsweise habe ein Kollege einem anderen ein Stück Eisen auf die Platine des Großrechners gelegt. Das lahmgelegte Gerät habe die Firma Millionen gekostet.

Nach Böckers Angaben handelt es sich bei den Intriganten gleichermaßen um Frauen und Männer. Nur die Methoden seien unterschiedlich: Frauen seien „Meisterinnen der impliziten Strukturen, während Männer direkte Beleidigungen, Beschimpfungen bis hin zur Tätlichkeit bevorzugten. Unter den ratsuchenden Klienten hingegen seien die Frauen deutlich in der Überzahl.

Die Kosten für Miete und Bürobetrieb der Berliner Beratungsstelle übernimmt die Gewerkschaft für Handel, Banken und Versicherungen (HBV). Zusätzlich bietet die HBV den Betroffenen Rechtsschutz in Kündigungsfragen an. Auch die Berliner Ärztekammer unterstützt das Projekt. Allerdings nur ideell. Präsident Ellis Huber betonte gestern, daß ihn das Angebot überzeuge, denn „Mobbing macht soziales Bindegewebe krank“. Er halte viel von „sozial orientierter Gesundheitsversorgung“. Stephanie v. Oppen

Mobbing-Beratungsstelle Am Köllnischen Park 2, 10179 Berlin, Tel. 2785020 oder (0172) 6154826

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