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Wenn es ums Blut geht

Das Klassenziel ist erreicht: eine Million Unterschriften für die Doppelstaatsbürgerschaft und gegen das Blutrecht. Doch die Signaturen werden so bald das Fundament deutscher Einstaatlichkeit nicht aufweichen.

Das Papier faßt alle Vorurteile zusammen. Doppelstaatler, steht darin, befinden sich im „Widerstreit von Rechten und Pflichten“ zweier Staaten. Doppelstaatler, heißt es außerdem, fallen der „Rechtsunsicherheit“ in Erb- und Familienangelegenheiten anheim. Doppelstaatler, erfährt man schließlich, genießen eine „ungerechtfertigte Besserstellung“, da sie in zwei Staaten im öffentlichen Dienst arbeiten können.

Das Papier, eine Pressemitteilung der CDU/CSU, wurde nach einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses im September verfaßt. Merkwürdig nur, daß in ebendieser Anhörung sehr differenzierte Äußerungen zu hören waren – und ebendiesen „Argumenten“ das Wasser abgegraben wurde. Erb- und familienrechtliche Fragen und vermeintliche Besserstellung können sämtlich zwischenstaatlich geregelt werden.

Es wurde aber auch deutlich, daß jene, die die Gefahren einer doppelten Staatsbürgerschaft betonen, sich in einer ideologischen Versteinerung befinden. Zu tief ist in ihnen der Grundsatz verankert: Deutsch kann nur sein, wer deutschen Blutes ist.

Und dennoch hat sich auch in der Union etwas bewegt. Ein Vorschlag, den Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) vorlegen soll – auch dies ist ein Zeichen für die Ideologiekraft des Themas: denn eigentlich wäre dafür Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zuständig –, könnte einige Erleichterungen schaffen. Die Frist, nach deren Ablauf hier lebende Ausländerinnen und Ausländer die Einbürgerung beantragen dürfen, soll herabgesetzt werden; momentan sind es 15 Jahre. Kinder von hier lebenden Ausländern sollen unter bestimmten Voraussetzungen sofort mit der Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, wenn zugleich auf die ursprüngliche Staatsbürgerschaft verzichtet wird. Und selbst bei der doppelten Staatsbürgerschaft will man künftig großzügiger verfahren. Waren es bisher nur enggefaßte Voraussetzungen objektiver Art, bei denen die Doppelstaatsbürgerschaft hingenommen wurde, sollen künftig auch subjektive Gründe in Betracht gezogen werden. „Schwerwiegende berufliche oder wirtschaftliche Nachteile“ dürften dann für die Akzeptanz zweier Staatsbürgerschaften genügen.

Das bedeutet: Der SPD-Gesetzentwurf, der zu Beginn des Jahres im Eiltempo von der Rechtsexpertin und Erstunterzeichnerin des Referendums, Herta Däubler- Gmelin, erarbeitet und eingebracht wurde, wird nun in den Ausschüssen zerhackstückt. Eine Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts wird es nicht geben, vom Grundsatz des Blutes und der Einstaatlichkeit nicht abgewichen werden. Die möglichen Erleichterungen im Ausländerrecht werden nicht am Grundsatz rütteln, daß wirklich deutsch nur ist, wem deutsches Blut in den Adern fließt. Selbst die Tatsache, daß Kinder ausländischer Eltern unter bestimmten Voraussetzungen die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, ändert an diesem Grundsatz nichts.

Damit verhallen die Forderungen einer Million Bürgerinnen und Bürger wie auch die Stimmen der Abgeordneten aus SPD, FDP und Bündnis 90/Grüne, die ebenfalls Vorschläge gemacht hatten. Anders als beim Abtreibungsrecht und bei der Frage des Berlinumzugs werden die Abgeordneten, wenn's ums Blut geht, nicht aus dem Fraktionszwang entlassen. Andernfalls wäre der Entwurf längst schon Gesetz; die nominelle Mehrheit im Bundestag ist vorhanden. Vergessen scheint auch das Wort des Kanzlers, der nach dem Brandanschlag in Solingen, bei dem fünf Türkinnen und Türken getötet wurden, gesagt hatte, er könne sich eine doppelte Staatsbürgerschaft auf Zeit vorstellen. Das kann auch Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), die noch im Juni formulierte, eine Doppelstaatsbürgerschaft, eventuell zeitlich begrenzt, sei „wirklich offen zu prüfen“.

Editha Limbach, CDU-Bundestagsabgeordnete, die als einzige ihrer Fraktion das Referendum unterzeichnet hat, sieht die Abwehr der meisten ihrer Parteikollegen im Zusammenhang mit der Diskussion innerhalb der Union um die Neudefinierung von Identität und Nation. Entsprechend trocken beurteilt sie die Situation: „Ich entscheide mich lieber für den kleinen Fortschritt, anstatt auf größeren Schritten zu beharren.“

Daß es nur einen kleinen Fortschritt geben wird, müssen sich auch die Freidemokraten anrechnen lassen. In den Koalitionsvereinbarungen 1990 haben sie der Problematik nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt.

„Wir haben das Thema damals nicht hart genug gefahren“, sagt Wolfgang Lüder, FDP-Rechtsexperte. Jetzt erhalten sie ein kleines „Schmerzensgeld“ und müssen bis zu den nächsten Koalitionsvereinbarungen warten.

So es sie denn geben wird. Julia Albrecht, Bonn

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