piwik no script img

„Wenn es sein muß, mit der Waffe“

■ Eine „Kampfgruppen-Hundertschaft“ in Leipzig fordert Unterdrückung der Opposition

Militante Töne gegen die Opposition wurden am Freitag in der SED-eigenen 'Leipziger Volkszeitung‘ angeschlagen. Unter der Überschrift „Werktätige des Bezirks fordern: Staatsfeindlichkeit nicht länger dulden“ meldete sich eine Hundertschaft der betrieblichen „Kampfgruppen“ der DDR, eine Art Partei-Miliz, zu Wort.

In dem jetzt veröffentlichten Aufruf heißt es: „Die Angehörigen der Kampfgruppeneinheit 'Hans Geiffert‘ verurteilen, was gewissenlose Elemente seit einiger Zeit in der Stadt veranstalten. (...) Wir sind dagegen, daß diese kirchlichen Veranstaltungen mißbraucht werden, um staatsfeindliche Provokationen gegen die DDR durchzuführen. Wir fühlen uns belästigt, wenn wir nach getaner Arbeit mit diesen Dingen konfrontiert werden. Deshalb erwarten wir, daß alles getan wird, um die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten...“ Und dann wird direkt mit Gewalt gedroht: „Wir sind bereit und willens, das von uns mit unserer Hände Arbeit Geschaffene wirksam zu schützen, um diese konterrevolutionäre Aktion endgültig und wirksam zu unterbinden. Wenn es sein muß, mit der Waffe in der Hand!“

Der frühere SED-Funktionär und heutige Aktivist der Bürgerrechtsbewegung „Neues Forum“, Rolf Henrich, verurteilte die Veröffentlichung als „eindeutigen Aufruf zur Gewaltanwendung“. Er sagte, diejenigen, die den Dialog forderten, würden als Staatsfeinde abgestempelt, gegen die mit Gewalt vorgegangen werden solle.

Die Kampfgruppen wurden 1952 gegründet und nach dem Aufstand vom 17.Juni 1953 forciert ausgebaut. 1961 wurden sie beim Mauerbau zur Grenzsicherung eingesetzt. Gegenwärtig erfassen sie etwa 400.000 Mann, vorwiegend Parteimitglieder aus den Betrieben, die auf bezirklicher Ebene dem jeweiligen Ersten Sekretär der SED-Bezirksleitung unterstehen. Wer mindestens 25 Jahre dabei war, bekommt später 100 Mark Rente zusätzlich.

Im Januar dieses Jahres verschickte das Zentralkomitee der SED eine interne Instruktion, in der die Kampfgruppen angewiesen wurden sich auf den Einsatz bei inneren Unruhen vorzubereiten. Jetzt werden Festnahmen und das Räumen von Plätzen geübt. Bei der Demonstration in Leipzig am vergangenen Montag sind die Kampftruppen bereits zum Einsatz gekommen, ebenso am Mittwoch beim der „Sicherung der Grenze“ zu Polen. Ihr Auftrag: Flüchtlinge zurückzuhalten.

ap/taz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen