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wortwechselWenn es Männer trifft …

#MeManTooÜberwältigt, beschämt, traurig, hilflos, wütend: Männliche taz-Leser und -Kollegen erzählen von ihren eigenen Erfahrungen mit sexueller Gewalt. Auf Wunsch: anonym

Einfach nur Party? Was passiert, wenn die männliche Selbstbehauptung unter den Tisch fällt? Foto: David Carreno Hansen/plainpicture

In der Ausbildung

Zu Beginn meines Lehramts-Referendariats, meine Mentorin (Ausbildungslehrerin), nur wenige Jahre älter als ich, lädt mich zu sich nach Hause ein, um mit mir Unterrichtsplanungen durchzusprechen. Bei meiner Ankunft sagt sie mir, ihr Mann und ihr Kind seien nicht da, wir seien allein. Es ist Sommer, wir sind beide leicht bekleidet und sitzen einander gegenüber an einem Tisch auf der Terrasse. Plötzlich spüre ich, dass sie ihren nackten Fuß unter dem Tisch auf meinen Fuß gestellt hat. Ich unterbreche kurz das Gespräch und lächle sie an, um sie darauf aufmerksam zu machen. Sie sieht mich nur ausdruckslos an. Dann ziehe ich meinen Fuß weg und mache im Thema weiter. In meinem Berufsalltag unter lauter Frauen mache ich die Erfahrung, dass Frauen, wenn sie in der Überzahl sind und sich sicher und unangreifbar fühlen, genau die Verhaltensweisen zeigen, die an Männern so gern kritisiert werden. Ob jemand dominant und übergriffig auftritt, ist keine Frage des Geschlechts, sondern der Machtverhältnisse. Wer glaubt, es sich leisten zu können, benimmt sich so. Wer in der schwächeren Position ist, backt kleinere Brötchen und muss viel schlucken. (Name ist der Redaktion bekannt)

In einer Redaktion

Anfang der 2000er Jahre nahm ich eine Stelle in der Redaktion einer regionalen Sportzeitung an. Fast jedes Mal wurden sexistische Sprüche gerissen oder unterirdisch dumme frauenfeindliche Witze gemacht. Irgendwann ging mir das im wahrsten Sinne des Wortes auf den Sack und ich habe meine „Kollegen“ zur Rede gestellt. Blicke und Schweigen im Raum. „Was is’ denn daran so schlimm, macht doch jeder“, murmelte jemand. Meiner Position als „der Neue“ hat das natürlich nachhaltigen Schaden zugefügt. Später bekam ich mit, es gab doch eine Frau in der Redaktion. Sie berichtete über Handballspiele und kam nur kurz rein, um ihren Text und passende Fotos abzuliefern.

In der kurzen Zeit, wo sie in den Redaktionsräumen war, blieben die Sprüche zumindest aus.

Aber die Blicke in ihre Richtung waren unerträglich. Sobald sie wieder verschwunden war, heulten die Männer wie Hirsche in der Brunftzeit. Und über die abwesende Kollegin ergossen sich die Fantasien „meiner Kollegen“.

(Name ist der Redaktion bekannt)

Beim Anbaggern

„Washabichnichtgetan“ sollte es bei mir heißen. Meiner Erfahrung und der Erzählung beteiligter und unbeteiligter Frauen nach wollen viele Frauen auch heute noch eher ein wenig „bedrängt“ werden.

Bedrängt ist vielleicht der falsche Ausdruck, zumindest „initiativ ergriffen“ werden. Meine Chancen auf guten, erfüllten Sex wären auf jeden Fall besser gewesen, wenn ich nicht so ein „Weichei“ wäre. Ansprechangst, Schüchternheit und Ähnliches muss nicht unbedingt gut sein. Aber ich weiß schon, die Diskussion kann und sollte weiter andauern. Wie gesagt, meine Erfahrung und nicht zu verallgemeinern.

(Name ist der Redaktion bekannt)

Party Time

Eines Nachts bin ich mit einer Freundin feiern gewesen. Die Stimmung war entspannt, die Musik schön schlecht und wir relativ gut angetrunken. Plötzlich kommt aus einer Gruppe betrunkener junger Männer der betrunkenste, greift der Freundin an den Hintern und fragt ungehobelt, ob sie Bock auf Sex habe. Sie weist ihn zurück, ich stehe wie angewurzelt da. Nachdem wir extrem konfus über das Geschehene redeten, läuft die Freundin los und gibt dem Typen eine Ohrfeige, woraufhin dieser ihr ebenfalls eine verpasst. Die anderen der Gruppe pöbeln ihn an, sagen, dass das gar nicht gehe, ziehen ihn zurück. Ich warte, bis die Freundin wiederkommt, und wir haben weiterhin versucht den Abend entspannt ausklingen zu lassen, aber es war natürlich nicht möglich. Einer der Gruppe hat uns dann noch einen Shot ausgegeben und sich für das Verhalten seines Freundes entschuldigt. Zurück blieben wir beide mit dem Gedanken, dass so was anscheinend einfach passiere und dass es solchen Arschlöchern vollkommen egal sei, ob sie damit durchkommen oder nicht. Zurück bleiben die Opfer, die sich selber pausenlos Gedanken machen, was sie ändern sollen, damit so etwas nicht nochmal passiert. Obwohl es eigentlich die Täter sein sollten, die ihr Verhalten reflektieren und ändern sollten. Und zurück bleibe ich, der sich immer wieder die Frage stellt, wie bescheuert ich sein konnte, dass ich da nicht einschreite. Warum tat ich es nicht? Angst vor deren Gruppe? Der Umstand, dass alle alkoholisiert waren? War ich im Schock? Bis hin zu charakterlichen Fragen. Bin ich ’ne Memme? Bin ich charakterschwach? Was bleibt, ist die Gewissheit, dass ich das nächste Mal einschreiten werde. Falls ich kann. (Name ist der Redaktion bekannt)

Betrunkene beschützen?

Auf einer Party knutscht eine betrunkene Freundin mit einem Typen rum. Irgendwann habe ich das Gefühl, sie will eigentlich nicht mehr, ist aber zu betrunken, sich aus der Sache herauszuwinden. Es läuft nach dem Motto: „Stell dich nicht so an, du willst es doch auch!“ Als ich dazwischengehe, heißt es von seiner Seite, ich wäre eifersüchtig. Das hat mich verunsichert. Habe ich ihr den Spaß nicht gegönnt? Im Nachhinein hatte ich trotzdem das Gefühl, das Richtige getan zu haben. Trotzdem bleibt der Zweifel zurück, seine Beleidigungen und die Teilnahmslosigkeit der restlichen Partybesucher*innen. Auch, wenn jemand im ersten Moment ja sagt, kann sie es sich noch anders überlegen. Dass Typen dann so tun, als hätten die Frauen damit einen Vertrag gebrochen, weil es vom ersten Kuss nicht irgendwie zwangsläufig zu seiner Ejakulation führt, hat viel mit einem falschen Verständnis von Intimität, Sex und Männlichkeit zu tun, finde ich. Dafür einzutreten ist aber viel schwieriger, auch weil man selbst eben schnell zur Zielscheibe der Übergriffigen wird. Man wird als verklemmt, eifersüchtig, hysterisch oder unmännlich abgewimmelt. Dann kommt der Zweifel: Ist die Situation wirklich so eindeutig? Für mich bleibt der entscheidende Punkt, dass ich nicht in einer Welt leben will, mit Leuten rumhängen will, die das o.k. finden, also mach ich den Mund auf.

(Name ist der Redaktion bekannt)

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