: Wenn einer die Hilfe auch mal zu viel wird
Die alte Dame liegt auf dem Gehweg in einer hilflosen Lage: auf dem Rücken, und sie kommt nicht hoch. Ihre Nase blutet, beim Sturz muss sie sich an ihrer Brille verletzt haben, aber die beiden Frauen, die bereits bei ihr sind, haben ihr die Brille abgenommen und sie schon ein wenig aufgerichtet.
Ich will mich ja nicht aufdrängen, aber vielleicht könnte ich? „Sie könnten ihr ja den Rucksack abnehmen“, sagt eine der beiden Frauen, dann ist der Mann auch beschäftigt. Die schwere Arbeit, die Gestürzte auf die Beine zu stellen, übernehmen sie. „Sollen wir einen Krankenwagen rufen? Sie bluten!“ Aber die alte Dame will nicht. „Nein, nein“, sagt sie fast ein bisschen unwirsch, lässt sich den Rucksack wieder aufsetzen und marschiert los, einen Weg entlang, der zwischen den Häuserblöcken hier in Ottensen weg von der Straße führt.
Hamburg-Ottensen
35.500 Einwohner*innen,
ist eher für schicke Restaurants und Bars bekannt als für Altenwohnanlagen; die gibt es aber trotzdem, wenn auch etwas versteckt.
Kann sie das denn, so ganz alleine? Was soll aus ihr werden? Wo will sie hin? Wir schauen ihr nach, wie sie sich vorarbeitet, langsam und beharrlich. In der Ferne ist ein Eingang, und über dem Eingang: das Rote-Kreuz-Zeichen. Die alte Dame weiß genau, was sie tut. Die sich nicht auskennen, sind wir. Daniel Wiese
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