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Wenn doch der Fahrgast will

■ Brief eines Taxifahrers an den Taxi-Funk-Berlin: Darf Rassismus bei der Fahrgastvermittlung eine Rolle spielen?

Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen,

zwei Vorfälle auf „unserem“ Funk in der letzten Zeit haben mich stutzig gemacht, ja empört. Ersteres geschah am 1.7., gegen 19.30 Uhr. Ein ausländischer Kollege erhielt eine Vorbestellung vom Händelplatz. Nach einigen Minuten meldete er sich über Funk wieder mit den Worten: „Zentrale, mein Fahrgast möchte einen deutschen Fahrer.“ Völlig ungerührt vermittelten Sie den Auftrag erneut. Auf Nachfragen und Proteste einiger Fahrer hieß es lapidar: “...aber wenn es doch der Fahrgast will...“

Eine solche Einstellung bzw. Handlungsart, die auch für jene Fahrer gilt, die folgend in den Funk riefen: „Richtig, würde ich auch nicht mitfahren, sollen mal lieber mit uns fahren“ etc., ist mir unerklärlich und widerspricht meiner Auffassung nach den Worten unseres Grundgesetzes.

Sie ist unerträglich gegenüber dem als Taxifahrer durch Bestehen der P-Scheinprüfung allen anderen Taxifahrern gleichwertig qualifizierten Kollegen.

Und das mögen Sie sich doch bitte einmal vorstellen: Als Fahrer im Wagen zu sitzen und über Funk sich selbst indirekt als minderwertigen Menschen kennzeichnen zu sollen. Es nicht wert zu sein, einen Deutschen zu fahren...

Lieber Kollege, ich bewundere Deine Haltung, Dich trotzdem ordnungsgemäß zu verhalten und den Auftrag nicht einfach abzubrechen...

Liebe Funkzentrale, ich verstehe Ihr Verhalten in keiner Weise. Selbst sollten die Richtlinien des Hauses ein Weitervermitteln vorschreiben, so müßte doch Ihr Gewissen es Ihnen verbieten. Dem Fahrgast muß in einer solchen Situation deutlich gemacht werden, daß kein Taxi frei ist für ihn. Dies wäre durch Nicht-nochmaliges Vermitteln des Auftrages auch Ihre Aufgabe gewesen.

Jene Kollegen aber, deren erschütternd deutschtümelnde Reden nach der ordentlichen Meldung des ausländischen Kollegen über den Funk gewitterten, mögen sich schämen oder zumindest andere Fahrer damit während des Arbeitens verschonen. Solches Gedankengut, da es immer noch in einigen gedankenlosen Köpfen herrscht, hat mit keiner Silbe etwas im offiziellen Funkverkehr zu suchen. Nicht nur ich, auch mein Fahrgast war erschüttert.

Um es noch einmal zu wiederholen: Eine solche Vermittlungspraxis nimmt keine Rücksicht auf die Qualifikation des Taxifahrers, sondern entscheidet nach rassistischem Maß (was wohl in keiner Funkordnung stehen dürfte), sie ist menschenunwürdig, unverständlich und ohne moralische Güte.

Ein zweiter Vorfall ereignete sich am 25.6., am frühen Nachmittag in der City. Es fand irgendeine Demonstration auf dem Kurfürstendamm statt, und einem Kollegen fiel nichts anderes ein, als wiederholt und mit haßverzerrter Stimme immer wieder „Die Parasiten demonstrieren, die Parasiten, die Parasiten...“ in den Funk zu quaken.

Die Funkkontrolle, sonst einsatzfreudig und schnell fündig, hatte darauf keine Antwort. Die Zentrale vom 2er schwieg. Für solche Aussagen, zumal im Abstand von 2-3 Minuten mehrfach wiederholt, gehört ein Fahrer genauso gesperrt wie für andere Unflätigkeiten.

Als Schulungsleiter einer großen Taxifirma in Berlin frage ich mich, was soll ich meinen Schülern und Schülerinnen über unseren/Ihren Funk erzählen, was über Funkordnungen und Funkvermittelungspraxis? Eine Stellungnahme Ihrerseits erscheint mir wünschenswert.

Als Taxifahrer und Kollege bedauere ich solche Vorkommnisse aufs tiefste und wünsche mir zukünftig ein anderes Verhalten im Sinne kollegialer, ordentlicher und weiterhin guter Zusammenarbeit.

Sie mögen mir entgegenhalten, dies seien Einzelfälle bei einer immensen Zahl von Aufträgen. Dies stimmt sicherlich. Doch stimmen sie bedenklich und erfordern die Aufmerksamkeit und Diskussion aller Berliner Taxifahrer und Taxifahrerinnen, Kollegen und Kolleginnen vom Funk und jedes taxinutzenden Berliner Bürgers.

Abgesehen vom Verstoß gegen die Funkordnung §2 Absatz 3 und 10 schaden solche Vorkommnisse dem guten Ruf des Berliner Taxigewerbes und somit jedem einzelnen, der in diesem Gewerbe sein Geld verdient. Stellen Sie sich vor, wie es wäre, wenn Sie eines Abends mit dem Taxi nach Hause gefahren werden möchten, und der Fahrer sieht sie ankommen und sagt: „Ich fahre keine Deutschen...“

Mit freundlichen Grüßen

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