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Wenn die Pfarrfrau zum Volk Jesu gehört

■ Evangelischer Theologe in Heidelberg wird von der Badischen Landeskirche entlassen, weil seine Frau jüdischen Glaubens ist - „Das Bekenntnis zu Christus als Herrn und Heiland trennt uns“, sagt die Kirchenführung trotz Protesten aus der Synode

Heidelberg (epd/taz) - Darf ein Pfarrer mit einer Frau jüdischen Glaubens verheiratet sein? Für die evangelische Landeskirche in Baden ist die Antwort ein eindeutiges Nein. Sie beendete deshalb nach längerer Auseinandersetzung das Dienstverhältnis des 35jährigen Heidelberger Pfarrvikars M. Sein Vergehen: Seine Pfarrfrau und die gemeinsame Tochter sind jüdischen Glaubens.

Die Kirchenführung beruft sich auf das badische Pfarrerdienstgesetz. Paragraph 36 Absatz 1 verlangt: „Der Ehegatte des Pfarrers muß der evangelischen Kirche angehören.“ Ausnahmen können „in begründeten Einzelfällen“ allenfalls dann gemacht werden, wenn der Ehegatte Mitglied einer anderen christlichen Kirche ist. Damit waren - in der Vergangenheit wiederholt ein Streitpunkt - bisher vor allem Pastoren und Pastorinnen mit katholischen Partnern gemeint.

Der badische Landeskirchenrat wollte M. bereits vor längerer Zeit entlassen. Doch M. appellierte schriftlich an Bischof und Synode, ihn wieder in den Dienst zu nehmen und den Paragraphen 36 zu überprüfen. Denn diese Regelung bleibe hinter den inzwischen gewonnenen theologischen Einsichten zurück. „Ich werde nicht mehr über den Juden Jesus auf seinem Weg zwischen Galiläa und Jerusalem zum Heil der Welt predigen dürfen, weil ich mit einer Frau verheiratet bin, die zum Volk Jesu gehört, in Galiläa geboren und in Jerusalem zu Hause ist - dies ist ein theologisches und kirchenrechtliches Unding, das wir abarbeiten müssen“, forderte M. Und weiter: „Ich akzeptiere meine Frau und meine Tochter durch ihr Judesein als Gotteskinder. Haben Gotteskinder Platz in einem protestantischen Pfarrhaus oder haben wir das nicht?“

Unterstützt wurde der Pfarrvikar von zahlreichen Amtsbrüdern und -schwestern sowie von anderen kirchlichen Mitarbeitern. Das evangelische Dekanat Schwetzingen wies die Synode darauf hin, der Widerruf des Dienstverhältnisses mit M. wiederspreche einem Synodalbeschluß von 1984. Damals hatte das Kirchenparlament gelobt, man wolle das Verhältnis der Christen zu den Juden „neu verstehen und festhalten, was uns mit ihnen verbindet“. Erinnert worden war damals auch daran, daß christlicher Antijudaismus eine der Wurzel des Antisemitismus war.

Ende April faßte die badische Synode den Beschluß, „in Zusammenhang mit den ohnehin anstehenden Überlegungen zur Änderung des Pfarrerdienstgesetzes auch die Frage der Eheschließung eines Amtsträgers mit einem jüdischen Ehegatten zu überprüfen“. Damit war der Weg für eine Gesetzesänderung eröffnet - doch die Kirchenführung sperrte sich.

Oberkirchenrat Lippold vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland sagt: „Bei aller Sympathie für die Juden - das Bekenntnis zu Christus als dem Herrn und Heiland trennt uns doch.“ Dem Argument, ein Christ, der eine Jüdin heirate, nehme - da Jesu schließlich Jude war - ein „Stück Jesus“ in sein Leben hinein, entgegnet Lippold: Dies sei kein theologisch hinreichendes Argument, denn „die Verkündigung Jesu führt über das Judentum hinaus“. Der Oberkirchenrat, Geschäftsführer der Evangelischen Arbeitsgruppe Christen und Juden, betont im übrigen, er halte es für richtig, daß die Kirchen Wert darauf legen, daß die Pfarrfrauen evangelisch sind. Es sei ein Problem für den Mann, „wenn seine eigene Frau den Dienst nicht mittragen kann“.

Der „Fall M.“ ist nicht der erste seiner Art in Deutschland. Mitte der sechziger Jahre erfuhr der evangelische Theologe Michael Krupp die Konsequenzen der Bestimmung, daß die Pfarrfrau evangelisch sein muß. Krupp hatte eine Jüdin kennen- und liebengelernt und 1966 geheiratet. Daraufhin strich ihn die rheinische Landeskirche von ihrer Kandidatenliste. Krupps Lehrer Helmut Gollwitzer, der Berliner Theologieprofessor, reagierte empört. Immer rede man von der Notwendigkeit der Ökumene zwischen Juden und Chisten, wetterte er, und dann nehme einer das mal ganz ernst, bis hinein in sein allerpersönlichstes Leben - und die Kirche schmeiße ihn raus. Der damalige Berliner Bischof Kurt Scharf bot Krupp an, in die Berliner Kirche zu kommen. Der vom Rheinland Verstoßene nahm an, wurde in Berlin ordiniert und von seiner Kirche nach Jerusalem geschickt, wo er heute noch mit seiner Familie lebt.

Einen zweiten „Fall Krupp“ würde es heute im Rheinland wohl kaum geben. Denn die rheinische Kirche verabschiedete 1980 einen wegweisenden Beschluß „Zur Erneuerung des Verhältnisses zwischen Christen und Juden“. Die Rheinländer bekannten sich darin zwar zu Jesus Christus, respektierten aber zugleich ausdrücklich das jüdische Selbstverständnis und erklärten den Verzicht auf die Mission unter Juden.

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