: Wenn die Pfarrersfrau geht...
■ ... wird sie nach jahrelanger ehrenamtlicher Arbeit in die Armut entlassen / Initiativen der von Pfarrern geschiedenen Frauen fordern von den Landeskirchen Hilfen und Änderung der Kirchengesetze / In Zukunft eigener Arbeitsvertrag für die Pfarrersfrau?
Frühsommersonne flirrt über die Wiesen und Waldhänge des Taunus. Fernab von Großstadttrubel und Autobahnsurren liegt an der Hochtaunusstraße das Örtchen Arnoldshain. Halb versteckt im Wald liegt die Evangelische Akademie „Martin -Niemöller-Haus“, Bildungszentrum und Ort besinnlicher Ruhe der Evangelischen Landeskirche Hessen-Nassau. Der Parkplatz ist voll, Autos aus allen Ecken der Bundesrepublik. Im Empfangsraum der Akademie mischt sich fränkischer Dialekt mit schwäbischem, bayrischem, badischem, rheinischem und friesischem. Lebhaftes Begrüßen zwischen Kaffeeduft.
Es ist das zweite Treffen der Initiativ- und Arbeitsgruppen der von Pfarrern getrennt lebenden und geschiedenen Frauen aus beinahe allen Landeskirchen. „Die Geduld der Frauen ist die Macht der Männer“ betitelten Heidrun Bechtel, Elisabeth und Gottfried Bickel aus dem hessen-naussauischen Arbeitskreis und Dr.Jens Harms, Akademiedirektor, diese Tagung. Vierzig Frauen und zwei Männer wollen an diesem Wochenende die Erfahrungen ihrer Selbsthilfegruppen austauschen. Das Ziel ist, die Kirchenleitungen in die Pflicht zu nehmen und den in Not geratenen geschiedenen Pfarrfrauen zu helfen.
Häufiger denn je trennen sich Pfarrerehepaare. Oft hat sie zugunsten seines Amtes auf ihre Berufsausübung verzichtet, in seinem Schatten unentgeltlich gearbeitet. Auch die Kinderzahl liegt höher als in anderen Familien. Um das Ansehen des Amtes zu wahren und zur Vermeidung drohender Disziplinarverfahren (Ehebruch ist Amtspflichtverletzung), verläßt sie ohne großes Aufheben Haus und Gemeinde. Er bleibt oder er bekommt, wenn sich eine andere verwaiste Pfarrstelle findet, eine neue Dienstwohnung zugewiesen und den Umzug bezahlt. Sein Auskommen ist gesichert. Ihr aber stehen trotz jahrelanger Gemeindearbeit weder Sozialversicherung noch Arbeitslosengeld zu. Die private Pfarrerkrankenkasse ist für sie jetzt unbezahlbar, weil die Beihilfe wegfällt. Berufliche Wiedereingliederung ist schwer, wenn nicht unmöglich. Die Altersversorgung ungeregelt. Wenn sich dann der Ex-Gatte unchristlich zeigt und die Unterhaltszahlung nicht einhält, ist das Desaster vollkommen.
Da rührten sich in den letzten Jahren die Frauen aus den Pfarrfrauenvertretungen. Sie erkannten die Versäumnisse der Kirchenleitungen und die Not ihrer aus der Ehrenamtlichkeit entlassenen und verlassenen Schwestern. Mit ihnen bildeten sie hier und da kleine Selbsthilfegruppen, organisierten Tagungen und erstellten Listen von EheberaterInnen und TherapeutInnen. Auch Geschiedene nahmen an den landeskirchlichen Pfarrfrauentreffen teil. Die Frauen richteten Petitionen an die Landessynoden, in denen die Selbsthilfegruppen arbeiten, in Württemberg, Baden, Nordelbien und Westfalen. Gefordert wird, daß das Wohnrecht in der zu verlassenden Dienstwohnung verlängert wird. Hilfe soll gestellt werden bei der Suche nach einer anderen Bleibe, Umzugskosten sollen gewährt werden, ebenso Starthilfe und Unterstützung bei der beruflichen Wiedereingliederung. Unter Umständen soll die Kirche die Unterhaltsregelung prüfen und die jahrelange Mitarbeit der Pfarrfrau durch eine Regelung der Kranken- und Sozialversicherung würdigen.
All dies sind Forderungen, die eine Änderung bisheriger juristischer Formulierungen in den Kirchengesetzen nötig machen. Doch wie diese schnell ändern?
Zähes Verhandeln der Frauen mit den Kirchenämtern bewirkte immerhin Hilfe in Einzelfällen. Doch damit begnügen sie sich nicht. „Das Bild der Pfarrfrau hat sich geändert!“ stellen die Teilnehmerinnen der Arnoldshainer Tagung fest. Die Pfarrersehe ist nicht unverbrüchlich und die damit verbundene Lebensversorgung für die dienende Frau ist nicht sicher.
Das Arnoldshainer Tagungsteam weiß um die langsamen (Fort -)Schritte der Kirchenleitungen. Der zweite Mann in dieser 42köpfigen Diskussionsrunde ist Landeskirchenrat Erich Anders aus Düsseldorf. Aus erster Hand lernt er die traurige Seite des Pfarrfamilienlebens kennen. Er erfährt von verstecktem Psychoterror, von tragischen Prozessen vor Familiengerichten und von der Drohung der Kirche, eine Scheidung könne dienstrechtliche Folgen nach sich ziehen. Doch Arnoldhain ist nicht der Ort stiller Anklage. Der Kirchenmann findet sich im Kreis konstruktiv fragender Frauen - und denkt mit. Er gibt zu, daß es mit Individualhilfe nicht getan sein kann. Ihm schwebt eine Möglichkeit vor Augen, nach der beide, Pfarrer und Ehefrau, ein Arbeitsverhältnis eingehen könnten. Ihr bleibe die freie Entscheidung für die Mitarbeit in der Gemeinde aufgrund einer detaillierten Arbeitsplatzbeschreibung. Damit stünde ihr eine Sozialversicherung zu und im Trennungsfall Arbeitslosengeld. Umzugskosten und Hilfe bei Wohnungssuche und Arbeit wären regional zu lösen durch die Landeskirchen.
„Es zeigt sich“, sagt Erich Anders, „daß etwas nicht richtig geregelt ist. Diese Fehler müssen wir beachten und Modelle schaffen.“ Ob er aber in der Rheinischen Kirche mit seiner Idee vom „eingeschränkten Dienstverhältnis für Pfarrfrauen“ auf offene Ohren stößt?
„Wir dürfen nicht wieder in Vergessenheit geraten. Wir müssen denen mit unseren Problemen im Gedächtnis bleiben!“ erkennen die Vertreterinnen der landeskirchlichen Arbeitskreise der Geschiedenen und getrennt Lebenden. Sie haben ein Motto, das gerade in kirchlichen Kreisen oft zu hören ist: Das Ende der Bescheidenheit.
Hanna Jenet
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