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■ Wenn britische Arbeitslose die Initiative ergreifenGrüße aus dem Jenseits

London (taz) – Die Zahl der Arbeitslosen in Großbritannien fällt zwar seit einigen Monaten allmählich, aber noch immer sind knapp drei Millionen Menschen ohne Job. Dazu gehörten bis vor kurzem auch John und Barbara Graham aus Hertfordshire, einer kleinen Grafschaft nördlich von London. Im Februar hatte das Ehepaar jedoch eine geniale Idee und gründete ein Unternehmen: den „Bereavement Express“, was man vielleicht mit „Trauerbote“ übersetzen könnte. Die Betriebskosten sind denkbar gering, die Firma läßt sich vom Wohnzimmer aus leiten. Lediglich der Prospekt, der dem Unternehmen zur Blüte verhelfen soll, kostete eine Stange Geld.

Hinter der Geschäftsidee steckt die Vermutung, daß es genügend morbide Klotzköpfe gibt, die ihre nächsten Verwandten auch nach ihrem Tod mit kleinen Aufmerksamkeiten erschrecken wollen – und dafür im voraus eine Gebühr entrichten. Wer Vorsorge treffen will, kann mit den Grahams einen Vertrag abschließen. Das gewitzte Ehepaar verpflichtet sich darin, dem auserwählten Opfer – beispielsweise dem Ehegatten, der Tochter oder dem Enkel – an einem bestimmten Tag einen vom Auftraggeber geschriebenen Brief nebst Blumen oder Pralinen zukommen zu lassen.

Die Laufzeit des Vertrages kann bis zu zehn Jahren betragen. Der Tote in spe muß dann eben zehn Briefe verfassen. Viel Neues wird er darin nicht mitteilen können. Die Blumen und die Schokolade besorgen die Grahams dagegen jedes Jahr frisch. Da sich die Inflationsentwicklung auf diesen langen Zeitrahmen nicht berechnen läßt, kommt das Geld für die Geschenke aus der Erbmasse. Die ahnungslosen Erben sollen also nicht nur das gruselige Schauspiel über sich ergehen lassen, sondern obendrein auch dafür zahlen. Der Auftraggeber muß für seine Grüße aus dem Jenseits eine Verwaltungsgebühr von umgerechnet knapp hundert Mark hinblättern.

Um den potentiellen Kunden die Sache schmackhaft zu machen, führen die Grahams in ihrem Prospekt das Beispiel von Chris und Pat an. Beide waren über dreißig Jahre verheiratet, als Chris beim Golfspielen am elften Loch „ohne Vorwarnung zusammenbrach und starb“. Pat war zunächst fix und fertig, erholte sich jedoch schon bald. Doch dann kam ihr Geburtstag. „Chris hatte ihr an diesem Tag stets einen Strauß Frühlingsblumen gekauft – Osterglocken und Tulpen“, heißt es in dem Prospekt. „Sie hoffte insgeheim, daß ihre Kinder an ihre Vorliebe für Blumen denken würden. Der Tag kam – die Blumen nicht. Sie brach zusammen und weinte.“

Mary hatte dagegen mehr Glück, weil sie nicht mit solch einem Knauser verheiratet war. Richard hatte vorgesorgt, als er im Februar starb: „Mary hatte seinen Weggang noch nicht verwunden. Dann kam plötzlich und überraschend zum Hochzeitstag ein Strauß Osterglocken. Und dazu eine Karte in seiner eigenen Handschrift! Sie fühlte sich plötzlich nicht mehr so alleine.“ Von der Rechnung für die Totenblumen, die ebenso plötzlich und unerwartet ein paar Tage später ins Haus geflattert kam, steht freilich nichts im Prospekt.

Die Zielgruppe der Grahams sind RentnerInnen. Ganz so senil wie erhofft scheinen die Alten jedoch nicht zu sein. Das Interesse ist bisher praktisch null. Dennoch denken die Grahams darüber nach, neben Blumen und Konfekt auch andere Dinge zuzustellen. Vielleicht ein paar getragene Socken oder eine Handvoll abgekauter Fingernägel, damit der Horror noch besser zur Geltung kommt? Vielleicht werden die Grahams aber bald auch wieder zwei Nummern in der Arbeitslosenstatistik sein. Ralf Sotscheck

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