Wenn Twitter mal Spaß macht: Ein guter Tag auf dem Spielplatz
„Das bisschen Arbeit“ dekonstruiert bei Twitter humorvoll Geschlechterbilder. Schön wenn der Spielplatz mal nicht von Profipöblern übernommen wird.
Twitter ist ein schlechter Ort. Es ist wie dieser Spielplatz früher, auf dem immer die Großen rumhingen: Es war irgendwie aufregend, dabei zu sein, wenn sie rauchten, aber am Ende packte einen doch wieder irgendjemand im Nacken und zwang einen ins rote Seil dieses Riesenkletterspinnennetzes zu beißen. Nie wieder würde man dahin gehen, schwor man sich auf dem Rückweg, während der Sand in der Fresse die Zähne abschmirgelte.
Und dann öffne ich doch wieder Twitter. Und sehe: Das bisschen Arbeit. So heißt der Account. Nach dem Vorbild von Man who has it all werden hier all die Sprüche, die Frauen zu hören bekommen, einfach umgedreht. „Lisa (40) fragt: ‚Nachdem mein Mann jetzt ein paar Jahre Teilzeit arbeitet, macht er sich plötzlich Gedanken um seine Altersvorsorge. Ich überlege jetzt 50 Euro im Monat auf ein Tagesgeldkonto anzulegen für ihn. Das müsste doch reichen? Wie geht ihr mit solchen Forderungen um?‘“
Und dann kommen die ganzen geilen Antworten: „Wenn du sicher sein kannst, dass es nicht direkt im nächsten Schuhladen ausgegeben wird, dann mach das doch. Find ich aber eher übertrieben. Im Alter hat er doch dich!!!“ oder „Ich verstehe gar nicht, wieso er nicht wieder Vollzeit arbeitet. In den Männerzeitschriften, die er liest, gibt es ständig Beispiele von Männern, die Familie und Karriere unter einen Hut bringen.“
Wenn man „Familienmutter“ statt „Familienvater“ sagt
Dieser Account erinnert mich daran, wie schön der Spielplatz doch sein konnte, wenn nicht geprügelt wurde. Wie schön zusammen herumgesponnen wurde, wie ein Schwarm doch tatsächlich intelligent sein konnte, wie geistreich und humorvoll Twitter war – bevor es von Profipöblern übernommen wurde. Und wie schön Klischees dekonstruiert werden, wenn man „Familienmutter“ statt „Familienvater“ oder „Kinderjunge“ statt „Kindermädchen“ liest.
Als ich vergangene Woche mit den Kolleg*innen meinen Abschied von der taz (nicht als Kolumnist) feierte, wollte ich meiner Frau danken. Es gab Zeiten in der Redaktion, da hatten wir viele Ausfälle und Wechsel im Ressort und ich war viel zu viel bei der Arbeit. Preußisch-protestantische Pflichterfüllung oder so. Da hat meine Frau mir wirklich viel Last genommen.
Nur: Wie sollte ich das ausdrücken? „Danke, dass du mir immer den Rücken freigehalten hast“? Was denken denn dann alle anderen Gäste, was für eine patriarchale Beziehung wir führen? Das klingt so männlich-markant, als würde ich mir morgens mit der Faust Davidoff Cool Water ins Gesicht hauen. Das klingt nach: „Danke, dass du all deine Ambitionen hinten angestellt hast, damit ich Karriere und dicke Kohle und rummachen machen konnte, wie ich wollte.“
Ich hab mich dann einfach bedankt und die oben beschriebene Ambivalenz artikuliert – und mich in einen Witz geflüchtet. Keine Ahnung, ob ich damit auf dem Spielplatz durchgekommen wäre.
Leser*innenkommentare
Lowandorder
Däh&:Zisch - Mailtütenfrisch - entspannt
“ "Wer am Wickeltisch & “ein Löffel für Oma“ - keinen Humor entwickelt. & Reich beschenkt. Spätestens da & sich nich nen Ast lacht. Newahr. Nù. Der soll sich schlicht - keine Kids zulegen. Aber Hallo! "
Danke. Dann muss ich das nicht mehr schreiben. Alle wollen sie ständig "Leben". Am besten: Dem Leben ein "i" dazu geben. Beim Kinder-Umsorgen.“
& fügt liggers to recht an:
“ Siegfried Lenz - Deutschstunde? ”Eine Landschaft ohne Tiefe“
Verachtet mir nicht
die Weite und das Licht.“
kurz - na da simmer dabei & wie.
Gesetzt war‘s hie - klar - als Ironie.;)
Lowandorder
Tjä - nach 2x Streichorchester - 👻 👻 👻
Buurens Volkers - 👄 -
“Draapen - sää de Jung.
Dor har hei siin Mouder n Oog utsmeeten!“
kurz - Ach herm - 😱 -
Lowandorder
Sach mal so.
Tja de Jürn - 34 - der Nordfriese ausse “Norddütschen Tiefebene“ *
Preußisch-protestantische Pflichterfüllung
&Das - Danke Sagen beie Fru.
Linkedin.com - Berufserfahrung
taz, die Tageszeitung
7 Jahre 7 Monate
Projektentwickler Community Management
März 2019 – Heute1 Jahr
Ressortleiter (Gesellschaft & Medien)
Apr. 2014 – Heute 5 Jahre 11 Monate
Redakteur (Medien)
Aug. 2012 – März 2014 1 Jahr 8 Monate
Axel Springer Akademie
Volontariat
Axel Springer Akademie
Juli 2010 – Juni 2012 2 Jahre
…
Ausbildung
Universität Leipzig
Diplom 2005 - 2012
& Däh!
Jürn Kruse wechselt von der taz zu Übermedien. Als Redaktionsleiter wird er von Februar 2020 an nicht nur selbst über Medien berichten und das wachsende Team der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreuen. Was die Gründer Stefan Niggemeier und Boris Rosenkranz vorhaben.
Jürn Kruse soll bei Übermedien auch daran mitarbeiten, das Medienmagazin weiterzuentwickeln.
"Für uns ist das ein großer Schritt, damit Übermedien weiter wächst und gedeiht", sagen die Gründer Stefan Niggemeier und Boris Rosenkranz. "Es soll noch schöner, größer, vielfältiger und professioneller werden."
Kruse selbst sagt: "Ich glaube, dass gute Medienkritik wichtiger denn je ist und Übermedien mit seiner Unabhängigkeit und der großen Unterstützung durch seine Leserinnen und Leser genau der richtige Ort dafür."
Zur Person: Jürn Kruse, 34, hat in Leipzig Journalistik und Politikwissenschaft studiert und wurde zwischen 2010 bis 2012 an der Axel-Springer-Akademie ausgebildet. Seit 2012 war er Redakteur bei der "taz" in Berlin, von 2014 bis 2019 Ressortleiter des Medien- und Gesellschaftsressorts taz2. Dieses Jahr hat er in dem Team gearbeitet, das zentrale Zukunftsprojekte der "taz" verantwortet, und sich um die Entwicklung des Community-Managements gekümmert.
kress.de/news/deta...e-von-der-taz.html
kurz* - ”Eine Landschaft ohne Tiefe“ - Siegfried Lenz