„Wenn Konopke dicht macht, ist die DDR am Ende“

■ taz-Serie zum Kennenlernen von Ost-Berlin / Fünfter Teil: Seit 1930 gibt's am U-Bahnhof Dimitroffstraße den Imbiß Konopke / Täglich von 6 bis 20 Uhr geöffnet / Seit 60 Jahren im Familienbesitz / Keine Kooperation mit westlichen „Finanzmogulen“ wie McDonalds

Seit 1930 existiert am U-Bahnhof Dimitroffstraße der wohl bekannteste Imbiß Berlins. All die Jahre im Familienbesitz, mit jetzt 14 Angestellten, ist die Bude für die DDR eigentlich ein Unikum. Privatinitiative war unter den realen Versagern der SED nie beliebt, und trotzdem hatte das Kleinstunternehmen kaum Probleme mit den staatlichen Stellen. „Die haben gesehen, daß wir hier was leisten, ehrlich unsere Steuern zahlen und die Kunden zufrieden sind“, erzählt Frau Ziervogel, die Chefin. Probleme gibt es eher mit den planwirtschaftlichen Eigenheiten des Fleischkombinates, das die Wurst liefert. „Die originale Currywurst ist ohne Darm, von 1960 als die Currywurst erfunden wurde, bis 1987 wurde die auch so geliefert. Dann haben die umgestellt auf Würste mit Kunstdarm. Der kommt aus Cuxhaven, muß mit Devisen bezahlt werden, läßt sich aber nicht mitbraten. Also beschäftige ich drei Leute, die die Würste pellen und den Kunstdarm wieder wegschmeißen“, plaudert Frau Ziervogel aus der Unterhaltungskiste des Sozialismus.

In den besten Zeiten war der Laden früh ab 4 Uhr 30 geöffnet. Frühstück am Treffpunkt Konopke war das Ende manch durchzechter Nacht in Ost-Berlin. „Die Nachtkunden waren meine Stammkunden“, schwärmt Frau Ziervogel. „Bei mir ham'se ihre Probleme abgeladen, ich war die Mutti für alles und jeden.“ Dazu gehörten die Leute aus dem Schwulentreffpunkt „Schoppenstube“ genauso wie die Angestellten und Gäste aus den Nachtbars und Cafes rings um die Schönhauser. Als die Ungarn dann anfingen, ihre Wohnung im europäischen Haus Richtung Westen zu lüften, war beinahe die ganze Kundschaft weg. „Es ist fast niemand mehr da von früher“, bestätigt ihre Tochter. „Das neue Publikum muß ich mir erst erziehen“, weiß die Chefin und ahnt doch, daß nichts mehr so wird wie es war. „Seit dem 9. November geht hier alles drunter und drüber. Ich könnte 24 Stunden geöffnet haben, aber es gibt ja keine Arbeitskräfte mehr. Die arbeiten alle für'n Fünfer die Stunde im Westen.“ Daß sie jetzt erst sechs Uhr morgens öffnet, liegt an der nicht gewährleisteten Sicherheit. „Ich brauche jemanden, der mich und meine Frauen hier früh um vier bewacht. Weiß ja niemand, wer jetzt alles nachts hier rumspringt. Aber die Polizei ist ja für nichts mehr zuständig.“

Die Zeiten haben sich geändert, seit Wochen spähen die Aufkäufer aus dem Westen das Viertel aus. „Auf den meisten toten Augen (leerstehende Läden) haben die schon die Hand drauf“, weiß sie. Joint-venture bei Konopke wird es aber nicht geben. Mit 5.000 verkauften Würsten am Tag ist der Laden zwar äußerst lukrativ, aber Frau Ziervogel will keine Kooperation mit westlichen Finanzmogulen: „Da habe ich meinen Stolz. Oben schreiben die McDonalds drauf, und drunter stehen wir und verkaufen, nee.“

Weil diese Haltung einigen nicht zu passen scheint, passieren geheimnisvolle Dinge. Schon im Sommer wurde das Gerücht in Ost-Berlin gestreut, Konopkes hätten sich mit einem Koffer voller Geld über Ungarn nach Wessiland davongemacht. Frau Ziervogel, für die „das niemals in Frage kommt“, mußte tagelang mit jeder Currywurst ein Dementi durchs Fenster geben. Vor ein paar Wochen meldete dann eine westdeutsche Illustrierte, daß sich ihr Bruder, der in Weißensee einen Imbiß betreibt, mit 1,2 Millionen Ostmark in den Westen abgesetzt habe. Dieser ließ in der Ostberliner Zeitung eine Gegendarstellung abdrucken und rätselt seitdem, wer hier welches Spiel treibt. „Die wollen uns fertigmachen“, ahnt Frau Ziervogel. „Aber“, hat sie noch eine Symbolik bereit, „wenn Konopke dicht macht, ist die DDR am Ende“.

Torsten Preuß

KONOPKE, Unter der Hochbahn