: Wenn Hans Jessen kommt
■ Wenn es am Ohr blitzt: Hin und weg bei buten & binnen
Wenn Hans Jessen kommt
Wenn es am Ohr blitzt: Hin und weg bei buten & binnen
Burt Reynolds soll einmal gesagt haben: „Hätte mich Hollywood nicht gerufen, wäre ich zu buten & binnen gegangen.“ Bei Hans Jessen lautet das — zwar nicht verbürgt, aber immerhin glaubwürdig überlieferte — Zitat anders: „Hätte mich buten & binnen nicht gerufen...“ Sorry, Hollywood: Bremen hatte die Nase vorn.
Wenn es bei Männern am Ohr blitzt, ist Vorsicht geboten. Bei Burt Reynolds blitzt nichts. Bei Hans Jessen blitzt es neuerdings am linken Läppchen. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf unsere Haushaltsführung. Ertönt um kurz vor halb acht die Stimme von Hans Jessen im Fernseher, läßt Susi das Nudelsieb fallen und stürzt kreischend ins Wohnzimmer. Jetzt, wo es an Hans Jessens Ohr blitzt, unterbricht sogar Regina ihre Aroma-Therapie und schwebt mit glänzenden Augen zur Couch-Garnitur.
„Er hat sogar eine neue Frisur“, stellt Susi fest und knuspert aufgeregt Schoko-Crossies. Ich versuche mit rhetorischem Geschick, vom Moderator als solchem mit seien journalistischen Qualitäten über Erroll Flynn, Kirk Douglas bis hin zu Lex Barker überzuleiten und den Wert von reinen Äußerlichkeiten in Frage zu stellen. Leider wurde ich jedoch vor drei Tagen dabi ertappt, wie ich nachts um drei einen Film mit Cindy Crawford anschaute, und meine Argumente verschmoren im Spannungsbogen giftiger Seitenblicke.
„Der Stein ist echt“, sagt Susi knuspernd. „Das sieht man“, Frauen sehen sowas. Susi weiß sogar, daß Hans Jessen in einer Kavallerie-Uniform in „Vom Winde verweht“ phantastisch aussehen müßte. „Er hat was von Alain Delon“, sagt Regina. Und Susi nickt; „Die Augen. Sieh dir die Augen an. Robert Redford.“ „Terence Hill“, sagt Regina.
Mein Einwand, das Jackett sei doch eher von Hans Clarin oder Herbert Reincke ausgeliehen, verhallt in tödlichem Schweigen. „Er lächelt wie Gregory Peck“, sagt Susi nach einer Weile. „Marcello Mastroiani“, wirft Regina ein. „Und ein Kinn wie Paul Newman“, sagt Susi.
Ich gehe in die Küche, gieße die Nudeln ab und rühre nachdenklich in der Sauce Bolognese. Aus der Wohnstube tönt das Geräusch einer Weinflasche, die entkorkt wird. Es kann sich nur um die letzte Flasche vom guten Rioja handeln. Wäre Hans Jessen nach Hollywood statt zu buten & binnen gegangen, bliebe die Flasche jetzt zu, und ich könnte sie nachher gemütlich mit Bernd beim Schachspielen trinken.
Leises Gemurmel dringt an mein Ohr. Ich höre nur „Omar Sharif“, „Jean-Paul Belmondo“ und „Tony Curtis“. Die Bolognese köchelt wehrlos wartend im Topf. Die Nudeln vereinigen sich zu einem teigigen Klops. Immer noch höre ich Hans Jessen moderieren. Ich schaue auf die Uhr. Kurz nach acht. In der Wohnstube sitzen die beiden immer noch andächtig vor dem Fernseher. „Was ist mit der Tagesschau?“ frage ich vorsichtig. „OK“, sagt Susi, „ich schalte ab.“ Und drückt die Fernbedienung vom Video-Rekorder. „Wir haben Buten & Binnen aufgenommen. Regina sagt, Hans Jessen hätte eine Stirn wie Peter Fonda. Aber ich denke, er hat mehr von James Belushi. Wir sehen uns das nachher nochmal an.“
Lutz Wetzel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen