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Wenn Bürokratie tödlich ist

■ Niemand wollte die Kostenübernahme für eine teure Lebertransplantation an einem Kurden unterschreiben

Bremen (taz) – Der kurdische Asylbewerber Celal Akan ist schon zwei Monate tot. Doch noch immer ist nicht geklärt, wen in der Bremer Sozialbehörde die Hauptschuld daran trifft, daß die Kostenzusage über eine lebenswichtige Lebertransplantation über beinahe eineinhalb Jahre verschleppt wurde. Celal Akan war am 26. Juni an inneren Blutungen als Folge einer Leberzirrhose gestorben.

Unmittelbar nach seiner Einreise im Februar 1994 hatte ein Bremer Krankenhaus bei ihm eine chronische Hepatitis B und D diagnostiziert. Eine Lebertransplantation wurde vom Hauptgesundheitsamt sowie der Universitätsklinik in Kiel als unumgänglich erachtet. Akan sollte nach Klärung der Kostenübernahme durch das Sozialamt auf die Warteliste gesetzt werden. Doch dazu kam es nicht. Zwar empfahl das Sozialamt die Kostenübernahme für die 300.000 Mark teure Operation, gab aber die Akten im September 1994 auf Anforderung der oberen Sozialbehörde weiter.

Das Sozialamt selbst verfügte fortan nur über Interimsakten, die nicht einmal die medizinischen Befunde enthielten. Seit September irrte die Akte durch die Amtsstuben der oberen Sozialbehörde. Im November wurden mindestens Teile davon dem Staatsrat für Soziales, Hans-Christoph Hoppensack, vorgelegt. Der aber verschleppte die Kostenzusage erneut, indem er seine MitarbeiterInnen mit neuen Fragen nach dem Asylverfahren beschäftigte.

Es ist nach wie vor unklar, ob es tatsächlich im Dezember zu einem positiven Bescheid gekommen ist, der angeblich nicht zugestellt werden konnte. Wenn ja, bleibt zu fragen, warum im April eine zweite Kostenzusage erfolgt sein soll.

Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Staatsrat, der eine „bürokratische Fehlleistungskette“ einräumte und in einem internen Vermerk von „organisierter Unverantwortlichkeit“ sprach. Die mehrfach geäußerte Vermutung, er als Staatsrat trage persönlich Schuld am Tode des Yeziden, bezeichnete Hoppensack indessen als „unerhörten Vorwurf“.

Er fühle sich lediglich verantwortlich für das Verwaltungsverfahren und daran seien in diesem Fall mehr als 14 Personen beteiligt gewesen. Um seinen Rücktritt werde er nur bitten, falls die Ermittlungen ergeben sollten, daß „die Fallbearbeitung die Ursache für den Tod von Celal Akan gesetzt hat“ und „typisch“ für das Vorgehen der Behörde sei. Seine Behörde habe jährlich um die 350.000 Entscheidungen zu treffen. Die erst seit wenigen Wochen amtierende Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD) stellte sich vor ihren Staatsrat und bezeichnete die Tatsache, daß die Akten des Kurden 16 Monate lang durch die Behörden irrten, als „tragischen mißglückten Einzelfall“. Dora Hartmann

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