: Wenn Brennelemente zittern...
■ ... schweigt die Aufsichtsbehörde / Die britische Atomindustrie hat der Öffentlichkeit einen schweren Konstruktionsfehler des gasgekühlten Reaktordesigns jahrelang verschwiegen
Aus London Rolf Paasch
Ein schwerer Konstruktionsfehler in Großbritanniens „Fortgeschrittenen Gasgekühlten Atomreaktoren“ (AGR) ist von Betreibern und Atomaufsichtsbehörde zwölf Jahre lang vertuscht worden. Wie jetzt Dokumente, die der Umweltorganisation „Friends of the Earth“ zugespielt wurden, enthüllen, hatte die Atomaufsichtsbehörde (NII) der die Reaktoren betreibenden Elektrizitätsbehörde (CEGB) schon vor Jahren die Auflage gemacht, die gasgekühlten Reaktoren bei der Nachladung mit Brennelementen herunterzufahren. Die Gasreaktoren sollten im Gegensatz zu den Leicht– und Druckwasserreaktoren eigentlich bei vollem Betrieb nachgeladen werden. Betreiber und Verfechter des AGR–Designs hatten immer seine besondere Sicherheit und Wirtschaftlichkeit herausgestellt. Die jetzt bekannt gewordenen Dokumente beweisen, daß das System weder das eine noch das andere ist. Denn die 17 Tonnen schweren und wie eine 30 Meter lange Nuklearwurst verpackten Brennelemente werden bei ihrer Absenkung in den Reaktorkern durch das kühlende Gas in heftige Schwingungen versetzt. Was geschieht, sollte eines der Brennelemente brechen und in den Reaktorkern fallen, ist umstritten. Ein Sprecher der CEGB versicherte, ein solcher Unfall würde lediglich enorme Bergungs– und Reparaturkosten verursachen. Andere Experten schließen ein Schmelzen des Reaktorkerns nicht völlig aus. Der irreparable Konstruktionsfehler, der die Betreiber pro Reaktor jährlich mindestens 20 Mio. DM an unvorhergesehenem Produktionsausfall kostet, geht ursprünglich auf die Vermengung von zivilen und militärischen Anforderungskriterien an die britischen Kraftwerksbauer zurück. Um eine mögliche Plutoniumgewinnung zu erleichtern, erließ die Atombehörde Bauvorgaben, die sich dann als mit dem gasgekühlten Design unvereinbar erwiesen. Die neuen Erkenntnisse über die tatsächliche Unwirtschaftlichkeit der gasgekühlten Reaktoren dürfte die Pläne der Regierung Thatcher, die gesamte Elektrizitätswirtschaft inklusive der meisten britischen Atomkraftwerke zu privatisieren, in neue Schwierigkeiten bringen.
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