Wenn Architekten träumen

■ Architektur-Studenten planen „umgedrehte Kommode“ zum neuen Domizil für den eigenen Fachbereich um / Die Hochschule Bremen zeigt die Entwürfe jetzt im Modell

Es könnte ein Wahrzeichen der Stadt sein: das Wasserreservoir auf dem Stadtwerder, das die Bremer unerklärlicherweise „umgedrehte Kommode“ nennen. Mehr noch, es taugt als Symbol für den sprichwörtlichen Bremer Bürgersinn: Für ihr zentrales Reservoir hatten die Wasserwerker 1873 streng wirtschaftlich an einen schnöden Kasten gedacht. Aber die „Pfeffersäcke“ in ihren Osterdeich-Stadtvillen konnten den Ausblick nicht ertragen, erklärt Neustadt-Bürgermeister Klaus-Peter Fischer. Also legten sie zusammen für die Schmuckfassade, die das Gebäude heute denkmalwürdig macht.

Zum Glück für Architektur-Studenten der nahen Hochschule, die sich durch den trutzigen Riesen inspirieren ließen. Nicht ganz uneigennützig lautete die Aufgabe ihres Professors Wolfgang Dahms, den Koloss für eine Nutzung durch ihren beengten Fachbereich umzuplanen. Die Nachwuchs-PlanerInnen wussten also genau, woran es zurzeit fehlt. Das setzte Fantasien frei, dennoch dominiert der Respekt vor dem Denkmalschutz und seinen Hütern.

Völlig unverändert bleibt die Fassade im Entwurf von Anne Elisat, Matthias Irger und Jörg Hartig. Dafür sieht ihre Radikallösung die komplette Entkernung des Gebäudes vor. In der Hülle, deren Massivität sie im Modell mit Beton-Gussteilen unterstreichen, will das Entwerfer-Trio einen unabhängigen, neuen Baukörper erstehen lassen. Der Clou: ein hängender Hörsaal. Aussicht auf Realisierung hat der aufwendige Entwurf indes kaum: Zu teuer wäre der Abbruch der massiven Mittelwand. In den meisten anderen Entwürfen wird sie allenfalls stellenweise durchbrochen. Anders die vorhandenen Decken: Sie sind aus Holz und daher leicht zu entfernen. Einige der Planer behalten die alten Decken dennoch bei, die aktuelle Geschosshöhe wird schlicht halbiert. Bei komfortablen sieben Metern pro Etage springt noch genug für Seminarräume und Büros heraus.

Nahezu alle Arbeiten sehen den Erhalt der beiden Wasserreservoirs im obersten Stock vor, die Bremens Wasserversorgung im Notfall immer noch für eine halbe Stunde stabilisieren können. Unterschiedlich haben die zukünftigen Architekten das Hauptproblem, die „Erschließung“ des Gebäudes, gelöst: Treppen, Fahrstühle und Versorgungsleitungen führen die einen durch ein rundes Treppenhaus in der Mitte, andere halten auch einen gläsernen Riegel an der Fassade für Denkmal-kompatibel. Cornelia Jakob und Natalie Wöbse wagen gar dekonstruktivistische „Vorstöße“ aus den oberen Etagen – „um hervorzuheben, dass hier etwas Neues passiert“. Auch Marion Raeder und Nicole Weustink wollen mit gläsernen Erkern sichtbar machen, dass es sich um eine Architekturhochschule handelt.

Zukunftsmusik, die den Stadtwerken (swb) als Eigentümerin noch nicht zu Ohren gekommen ist. „Für uns steht nach wie vor nur soviel fest: Eine Mischung aus Kultur, Gastronomie und kreativen Köpfen soll rein“, sagt swb-Sprecherin Marlene Odenbach. Als kreative Köpfe haben sich die StudentInnen schon erwiesen, und an die Gastronomie haben viele auch gedacht: Auf dem Dach des Gebäudes findet sich meist ein Restaurant aus Glas. „Von da hat man den allerschönsten Blick auf die City“, weiß Architektur-Dekan Reinhard Bartolles. Den Entwurf von Serpil Yavuz und Ilknur Eyriagac krönt gar eine Glaskuppel, die Sir Norman Foster Ehre machen würde. not

Ausstellung bis zum 8. Juni, Gebäude AB, 5. OG, Neustadtswall 30