Weniger wäre mehr gewesen-Betr.: "Diktaturschaden", taz vom 23.1.90

betr.: „Diktaturschaden“ von Peter Schneider, taz vom 23.1.90

Es scheint Herrn Peter Schneider entgangen zu sein, daß die NGBK (Berlin-West) in Zusammenarbeit mit dem VBK (Berlin -Ost) erstmalig eine umfangreiche Ausstellung der jungen DDR -Szene in Berlin West („Zwischenspiele“) vorstellte, die zeitlich in den Mauerfall (20.10. bis 10.12.89) fiel.

Mit 43 bildenden KünstlerInnen und einem umfangreichen Rahmenprogramm und Katalog (...) war die „totgesagte Kulturmetropole“ Paris - die just dieselben KünstlerInnen, nun aber hoch vier zeigte - also die zweite Station der Präsentation, und die „zum Lahmarsch vereinten zwei Hinterbacken an der Spree“ hatten in zweieinhalb Jahren Vorbereitung sich bemüht, mit KünstlerInnen und der Kunst etwas weniger fahrlässig umzugehen, als es nach der zweimonatigen Vorbereitung für „La Vilette“ nun der Fall war.

Nach Rücksprache mit vielen KünstlerInnen in Paris waren diese von der Art und Weise, wie mit ihnen umgegangen wurde, mehr als schockiert. (...) Daß die KünstlerInnen mit 500 Francs für eine Woche auskommen mußten, nachts während des Aufbaus Wasser und Rote Bete vorgesetzt bekamen, die Ausstellungsmaterialien noch am ersten Tag der Ausstellung nicht angeliefert waren, es keine Pressekonferenz zusammen mit den KünstlerInnen gab usw., lag auch an der organisatorischen Pleite auf französischer Seite, aber der Ausstellungsmacher der DDR-Seite muß sich gefallen lassen, daß er dem Chaos dieser drei Tage nicht mehr gewachsen war, auch deshalb, weil er jede Hilfe von Seiten der KünstlerInnen oder professioneller AusstellungsmacherInnen, einen Stab zu bilden und die Arbeit zu verteilen, strikt abgelehnt hatte. (...) Wenn es dann noch nicht einmal möglich war, den Frauen Zutritt zur „La Villette“ zu verschaffen, ist das mehr als stillos.

Die Pariser Broschüre bestand dann auch zu großen Teilen aus Personal- und Werkfotos sowie Textauszügen aus unserem Katalog. Vielleicht wäre es wichtig gewesen, bei den Podiumsgesprächen auch unsere Westmeinung zuzulassen, sicher hätte Peter Schneider als einziger „West-Germane“ dabei auch noch was gelernt. Daß wir uns dann auch zu dem Slogan „die Faust im Muttermund“, der breit in der Ausstellung hing, geäußert hätten, sollte wohl vermieden werden.

Übrigens paßte doch der Aderlaß der DDR-KünstlerInnen recht gut zu der Performance der Autoperformationsartisten, die den ganzen Wahnwitz dieser Veranstaltung als Blut-Fleisch -Innereien-Clip verarbeitet haben.

Weniger wäre mehr gewesen.

Neue Gesellschaft für bildende Kunst: Beatrice Stammer, Brigitte Sonnenschein