: Weniger Solidarität mit Theo Waigel
■ Koalition will Soli-Zuschlag um 2 Prozent auf 5,5 Prozent senken, um FDP über Landtagswahlen zu retten
Bonn (taz) – Nach monatelangem Quengeln, Bitten und Drohen hat die FDP ihren beiden Koalitionspartnern ein Zugeständnis abgetrotzt: Der Solidaritätszuschlag soll ab 1. Juli 1997 von 7,5 Prozent auf 5,5 Prozent gesenkt werden. Das teilten gestern Finanzminister Theo Waigel (CSU) und FDP-Chef Wolfgang Gerhardt nach einem Spitzengespräch der Koalition in Bonn mit.
Bei den drei Landtagswahlen am 24. März können sich die angeschlagenen Liberalen nun als Steuersenkungspartei präsentieren. Sieben Wochen vor den für das Überleben des kleinen Koalitionspartners wichtigen Wahlgängen ist mit der gestrigen Einigung auch der in jüngster Zeit arg strapazierte Koalitionsfrieden gerettet. Kanzler Kohl hatte schon am Wochenende bei der Strategietagung der Union in Wildbad Kreuth angekündigt, die Koalitionspartner würden sich auf eine „Formel“ einigen. Finanzieren will Minister Waigel das Geschenk an die FDP durch Einsparungen und auf Kosten der Bundesländer: Der CSU-Politiker will den Anteil der Landesetats an der Mehrwertsteuer in dem Maße zurückführen, in dem sie im Länderfinanzausgleich nicht mehr benötigt werden.
Allerdings hat Theo Waigel die Landesregierungen offensichtlich nicht gefragt, ob sie bereit sind, die Wahlkampfhilfe der Bundesregierung für die Liberalen tatsächlich zu bezahlen. Hessens Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) sprach denn gestern auch von einer „Zumutung“ und kündigte an, seine Regierung werde „dieser unverfrorenen Selbstbedienung zu Lasten der Länder“ ihre Zustimmung verweigern: „Die Länder sind nicht die Sparbüchse des Bundes.“ Ähnlich äußerten sich der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck und der nordrhein-westfälische Finanzminister Heinz Schleußer (beide SPD).
Auch den Unmut von Parteifreunden werden sich Kohl und Waigel mit ihrer Entscheidung zuziehen: Ostdeutsche Unionspolitiker und der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hatten sich entschieden gegen einen zu schnellen Abbau des Soli-Zuschlages und eine Verringerung des Umsatzsteuer-Anteils der Länder gewandt.
Waigel und Gerhardt versicherten gestern, der Abbau des Solidaritätszuschlages werde weder zu einer Erhöhung der Nettokreditaufnahme noch zu einer Beeinträchtigung des auch weiterhin notwendigen Finanztransfers in die neuen Bundesländer führen. Waigel geht davon aus, daß dem Bund von 1997 an durch die Rückführung von Umsatzsteuerpunkten der Länder (gegenwärtig 7 Prozent) ein Spielraum von 3 Milliarden Mark zur Verfügung steht. Gegenwärtig liegt das Aufkommen des Solidaritätszuschlages bei rund 30 Milliarden Mark jährlich. Hans Monath Tagesthema Seite 3
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