■ Weniger Lohn für Kranke, gekürzte Renten und weniger Kündigungsschutz: Der DGB und linke Initiativen haben zum Protestmarsch nach Bonn aufgerufen. Mehr als 400.000 Demonstranten werden von der Polizei und dem Fernsehen erwartet: Es reicht
Weniger Lohn für Kranke, gekürzte Renten und weniger Kündigungsschutz:
Der DGB und linke Initiativen haben zum Protestmarsch nach Bonn aufgerufen.
Mehr als 400.000 Demonstranten werden von der Polizei und dem Fernsehen erwartet
Es reicht – nicht mit uns!
Der Kanzler findet die Demo nicht gut. Ein Glück. Denn schließlich soll die Großdemonstration heute in Bonn zeigen, daß es doch noch eine breite Protestbewegung gibt, die nichts hält vom politischen Schmusekurs mit den Sparmodellen der Regierung Kohl. Nach den gescheiterten Kanzlerkränzchen mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), nach mißlungenen „Bündnissen für Arbeit“ und vor allem nach Vorlage des berüchtigten „Sparpakets“ der Bundesregierung werden heute etwa 400.000 Leute erwartet, die unter dem DGB-Motto „Auf nach Bonn“ gegen den Sozialschwund demonstrieren.
Der Sozialstaat werde gefährdet durch diejenigen, „die sich protestierend ins Abseits begeben“, beschwor Helmut Kohl gestern. Von wegen „Abseits“: In 75 meist gewerkschaftsfinanzierten Sonderzügen, 5.400 Bussen und sogar auf zwei Rheinschiffen ziehen die Protestierenden nach Bonn. In „fünf Marschsäulen“ sollen sich die Demonstranten aus Gewerkschaften, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Parteien und Hunderten von Initiativen durch die Stadt bewegen. Die Hauptkundgebung im Bonner Hofgarten mit dem DGB-Vorsitzenden Dieter Schulte wird gegen 14 Uhr beginnen.
Der geplante Massenaufmarsch kann allerdings nicht über die Differenzen zwischen den einzelnen Gruppierungen hinwegtäuschen. Bei einer getrennten Kundgebung demonstrieren StudentInnen, SchülerInnen, Arbeitslose, PDS- Mitglieder und Autonome aus dem sogenannten „Bündnis Sternmarsch gegen Sozialabbau“ (siehe unten). Die linken Gruppen durften zwar netterweise in den Gewerkschafts-Sonderzügen mit anreisen. Trotzdem hat der DGB inzwischen die Zusammenarbeit mit dem Sternmarsch-Bündnis formell aufgekündigt. Die Kritik der linken Initiativen am DGB und ein Flugblatt des „revolutionären Blocks“ zur Demonstration hatten den Gewerkschaftsbund verschreckt.
Die voraussichtlich größte gewerkschaftlich organisierte Demonstration der Nachkriegsgeschichte sei ein erster Höhe-, aber kein Schlußpunkt der Proteste, hieß es gestern beim DGB. Die Kosten der Großdemo wurden in unbestätigten Berichten auf rund zwölf Millionen Mark geschätzt.
Der Mammutprotest erinnert an die großen Friedensdemonstrationen in den 80er Jahren. Am 10. Juni 1982 gingen rund 300.000 Menschen in Bonn auf die Straße, um gegen die Stationierung neuer Nato-Mittelstreckenraketen in Westeuropa zu protestieren. Am 22. Oktober 1983 demonstrierten noch mal annähernd so viele TeilnehmerInnen erneut gegen die Nachrüstung. Barbara Dribbusch
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