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Weniger Infektionen trotz WanderungZecken mögen Klimawandel

Obwohl Zecken neue Regionen erobern und jetzt auch im Winter aktiv sind, ging die Zahl der durch die Spinnentiere verursachten Infektionen zurück.

Die Zecken klettern in immer höhere Gebiete. Bild: dpa

BERLIN ap/taz In der Saison 2006/2007 beobachteten Forscher erstmals in Deutschland während des gesamten Winters aktive Zecken. Daraufhin wurde eine starke Zunahme jener Erkrankungen erwartet, die die Spinnentiere übertragen. Doch das Gegenteil trat ein: Die Fälle der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) - die meldepflichtige Gehirnentzündung gilt als Leitwert für durch Zecken übertragene Krankheiten - gingen deutlich zurück. Dennoch rechnen Experten langfristig mit einer Zunahme der Infektionen, denn der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung der Tiere.

Die Entwicklung des vorigen Jahres zeigt für Jochen Süss vom Friedrich-Loeffler-Institut in Jena, "wie komplex das Zusammenspiel zwischen Klima und Zecken ist": "Die Zecken hatten den Winter durchgemacht. Die waren im Frühjahr hungrig und wollten Blut saugen." Aber während des extrem heißen und trockenen Aprils mussten sich die feuchtigkeitsliebenden Tiere zurückziehen. Dann sorgte der verregnete Sommer dafür, dass die Menschen weniger in die Natur gingen.

Die Zahl der FSME-Erkrankungen, die im Jahr 2006 mit 546 Fällen einen Rekordwert erreicht hatte, sank 2007 auf 236. Aber grundsätzlich fördert der Klimawandel die Ausbreitung von Zecken. Konnten Wanderer noch vor einigen Jahren oberhalb von 800 Metern Höhe sorglos durch Büsche streifen, lauern die Tiere inzwischen schon in rund 1.100 Metern, auf dem Niveau des Brockengipfels im Harz.

Zudem vermutet Süss, dass die Weibchen bei warm-feuchtem Wetter mehr Eier produzieren. Je nach Region tragen 10 bis 30 Prozent der erwachsenen Zecken Borrelien. Da diese Keime im Magen-Darm-Trakt leben, wechseln sie nicht direkt nach einem Zeckenstich auf den Menschen. An Borreliose erkranken bundesweit jährlich etwa 60.000 Menschen.

Früher staunten Mediziner über die Bandbreite der Symptome einer Borreliose. Inzwischen kennen Forscher vier Subtypen der Bakterien, die tendenziell unterschiedliche Krankheitsbilder hervorrufen. So schädigen Borrelien des Typs afzelii und spielmani insbesondere die Haut, der Genotypus garinii greift bevorzugt das Nervensystem an, burgdorferi sensu strictu meist die Gelenke.

Unabhängig vom Subtypus töten Antibiotika die Keime zuverlässig ab. "Resistenzen gegen Antibiotika gibt es bisher nicht", sagt der Infektiologe Helmut Eiffert von der Universität Göttingen.

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2 Kommentare

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  • JZ
    Jutta Zacharias

    "Antibiotika töten Borrelien zuverlässig ab?" Diese Aussage von Herrn Prof. Eiffert ist angesichts der zahlreichen Persistenzmechanismen von Borrelia burgdorferi erstaunlich. Zudem ist die optimale Therapie - Art des Antibiotikums, Dosierung und Dauer der Behandlung je nach vorherrschender Krankheitsmanifestation und Dauer der Erkrankung - strittig, da das Studienmaterial zur Borreliose-Therapie widersprüchlich und unzureichend ist. Im Übrigen gibt es keinerlei objektivierbaren Parameter, mit denen der Therapieerfolg kontrolliert werden könnte. Es wäre an der Zeit, dass von Wissenschaftlern und Medizinern das tatsächliche und nachweisbare diagnostische und therapeutische Dilemma im Bereich der Lyme-Borreliose offen gelegte wird, damit endlich im gesundheitspolitischen Bereich dringend notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der Prävention, Diagnose und Behandlung eingeleitet werden.

    Mit freundlichen Grüßen

    Jutta Zacharias

    www.zecken-borreliose.de

  • R
    Regi

    Schön, dass die FSME-Fälle zurückgegangen sind. Wie sieht es mit der in den neuen Bundesländern meldepflichtigen Borreliose aus? Diese Zahlen dürften erneut wieder angestiegen sein.

     

    Dass man mittlerweile wissen möchte, dass Borrelia spielmani die Haut schädigt, ist positiv. Wie sehen diese Hautveränderungen aus? Mit welchen Allgemeinsymptomen ist zu rechnen? Chronische Müdigkeit? Chronische Schmerzen? Muskelschwächen? Krankheitsgefühl? Depressionen? Konzentrationsstörungen? Polyneuropathien? Wie sieht es mit der Diagnostik aus? Die zur Verfügung stehenden Testkits decken meines Wissens, wenn überhaupt, nur die Stämme burgdorferi, garinii und afzelii ab.

     

    Dass Antibiotika die Borrelien zuverlässig abtöten ist unbewiesenes Wunschdenken. Im Labor sprechen die verschiedenen Borrelien-Stämme unterschiedlich auf die zur Verfügung stehenden Antibiotika an.

    http://www.zecken-borreliose.de/preacmursic.pdf

     

    Borrelien bilden im Labor unter Beschuss der gängigen Antibiotika zystische Formen, die auf Antibiotika nicht empfindlich sind. Sobald das Mileu wieder okay ist, können sie sich in vermehrungsfähige Spirochäten zurückverwandeln. Sie verstecken sich vor dem Immunsystem und den Therapien, indem sie sich in schlecht durchbluteten Geweben aufhalten und ihre Oberfläche verändern, bis sie vom Immunsystem nicht mehr erkannt werden.

    http://www.zecken-borreliose.de/pageID_3617702.html

     

    Noch immer wird die Borreliose verharmlost von Meinungsführern, die entweder nicht im Stande sind zuzugeben, dass sie jahrelang Dinge über die Krankheit publiziert haben, die heute nicht der Realität entsprechen oder sie sind nicht in der Lage, sich mit den neuen Forschungsergebnissen zu beschäftigen.

     

    Viele Patienten erleben die Borreliose leider ganz anders. Nach zig Antibiotika-Therapien werden sie nicht mehr gesund. Sie kämpfen um medizinische Versorgung (Lebensqualität), Renten und Verständnis für ihr Leiden in ihrem Umfeld. Ein Aspekt der Krankheit, der zu oft verschwiegen wird - auch in diesem Artikel.