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Wenige Frauen schaffen es bis zur ProfessurKöniginnen ohne Land

Deutschland hat im europäischen Vergleich einen besonders niedrigen Frauenanteil in der Professorenschaft. Die, die es schaffen, verzichten meist auf Kinder.

Überqualifiziert, beim Aufstieg stecken geblieben: Königinnen ohne Land. Bild: ErdmuteCC-BY-ND

"Das Frausein alleine stört nicht", sagt Bettina Hartmann* resigniert, "was stört, sind die Kinder." Sie hat zwei. Und acht Abschlüsse und Zusatzqualifikationen. 16 Jahre hat sich die 45-jährige Sprachwissenschaftlerin aus Berlin mit befristeten Verträgen an ihrer Uni durchgehangelt.

In dieser Zeit ihre Kinder zu bekommen – die Erziehungszeit wurde jeweils angehängt, so dass aus insgesamt zwölf Jahren, die in Deutschland maximal für die wissenschaftliche Qualifikation vorgesehen sind, bei ihr sechzehn wurden. Die Habilitation ist in dieser Zeit nicht verpflichtend. Aber ohne sieht es jetzt schlecht aus für Bettina Hartmann. "Ich war nicht bereit, für eine Habil das Familienleben zu opfern", sagt die mittlerweile alleinerziehende Mutter.

Diese Vergeudung von Talenten: Da gibt es so viele kluge und gebildete Frauen an deutschen Universitäten, die Gefahr laufen zu verkümmern, abzuspringen und die der Wissenschaft verloren gehen. Der akademische Weg in Deutschland ist lang: Das statistische Durchschnittsalter bei einer Erstberufung auf eine Professur beträgt 41 Jahre.

Was passiert in den 20 Jahren zwischen Studienbeginn und Berufung, dass so viele Frauen nicht dabei bleiben? Schließlich beginnen gleich viele junge Frauen wie Männer ein Studium. Und beide Geschlechter schaffen zu etwa gleichen Anteilen den Studienabschluss.

Doch schon bei der Promotion geht der Frauenanteil auf etwa 40 Prozent zurück, und bei der Habilitation beträgt er nur noch 25 Prozent. Auf eine feste Professur schafft es von diesen Akademikerinnen nur ein kleiner Teil. Trotz Frauenförderprogrammen, Genderwissenschaften: Das akademische System und Milieu erweist sich als verdammt zäh.

Es ist darauf ausgerichtet, Wissenschaftler zu produzieren, die an die Spitze gelangen wollen, gelangen müssen. Die Aufenthaltsdauer im akademischen Mittelbau - ein prächtiges Wort, in dem das ständische Element der akademischen Ordnung noch anklingt - ist befristet. Wer wie Bettina Hartmann keine Habilitation vorlegt, sollte "habiladäquate Leistungen", also Veröffentlichungen, vorweisen können, um sich auf eine Professur und damit eine feste Stelle an einer Uni bewerben zu können.

Hartmanns Publikationsliste ist nicht lang genug, sagt sie bedauernd. "Ich wäre gerne auf meiner Ebene der wissenschaftlichen Mitarbeiterin geblieben. Aber ich darf an keiner deutschen Uni mehr auf einer befristeten Stelle in dieser Position arbeiten." Das sieht das Hochschulgesetz so vor. Hartmanns Hochschulkarriere steckt damit, nach 16 Jahren Beruferfahrung, in einer Sackgasse.

"Der akademische Mittelbau ist viel zu sehr Durchlaufsystem", sagt auch Christine von Oertzen, Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte. Von Oertzens Forschungsthema sind Netzwerke: Frauennetzwerke wie der Akademikerinnenbund Anfang des 20. Jahrunderts.

Bald 100 Jahre später ist das Thema immer noch aktuell. "Dass man schon graue Haare hat, bevor man überhaupt ernst genommen wird", findet von Oertzen absurd. Ihre Habilitation hat sie eingereicht. Aber: "Nach der Promotion nochmal einen Riesenanlauf zu einem völlig neuen Thema nehmen zu müssen, tut Frauen keinen Gefallen."

Maximal zwölf Jahre sind nach Studienabschluss für die wissenschaftliche Qualifikation vorgesehen. Zwölf Jahre, die schlechte Bezahlung, eine unsichere Perspektive, hohen Leistungsdruck mit sich bringen. "Die Arbeitsbelastung ist enorm gestiegen", sagt Mechhtild Koreuber, zentrale Frauenbeauftragte an der FU Berlin. Im Gegensatz zu früher muss man heute "möglichst früh möglichst viel publizieren, Drittmittel akquirieren und internationale Erfahrungen haben". Viele Frauen fürchten diesen Druck.

"Junge Wissenschaftlerinnen fühlen sich von ihrer Umgebung oft weniger motiviert, bekommen weniger persönliche Förderung und sind weniger gut vernetzt", fasst Dorothea Jansen ihre Erfahrung zusammen. Jansen leitet das Berliner Mentoring-Programm "ProFil" (Professionalisierung von Frauen in Forschung und Lehre), das bereits 225 Wissenschaftlerinnen beraten, auf Führungspositionen vorbereitet und vernetzt hat. "Wir sind sehr effizient", sagt sie.

Die 41-jährige Psychologin Inken Lind gehört zu einem sozialwissenschaftlichen Forschungsteam am Bonner Kompetenzzentrum CEWS/ GESIS (Center of Excellence Women and Science), das sich speziell mit Frauen und Wissenschaft beschäftigt. Sie sagt: "Es sind kleinere Nachteile, aber sie akkumulieren sich – sie akkumulieren sich in Kombination mit der Erwartung, dass Frauen eher ausfallen." Oder nicht so mobil sind. Oder nicht flexibel genug.

Viele Akademikerinnen schieben wegen dieses Erwartungsdrucks ihren Kinderwunsch auf. Das gilt zunehmend auch für männliche Nachwuchswissenschaftler – doch die können anders als ihre Kolleginnen die Phase der Familiengründung "nach hinten schieben", sagt Lind. Laut einer Umfrage von 2007 bleiben etwa zwei Drittel der Professorinnen kinderlos.

Lind warnt davor, das Thema Kind und Karriere bei Akademikerinnen auf die übliche "Vereinbarkeitsproblematik" zu reduzieren. Trotzdem glaubt sie: "Es hat sich schon was getan. Einige Beispiele strahlen."

Caren Tischendorf zum Beispiel. Mathematikprofessorin in Köln, 40 Jahre alt. Sie war die erste Professorin in ihrem Fachbereich. Nur knapp 37 Prozent der Studienanfängerinnen entschieden sich 2007 für ein naturwissenschaftliches oder ein Mathematik-Studium. Um so erstaunlicher ist, dass es – sind die Einstiegshürden erst einmal genommen – dann besser und schneller mit der Karriere vorangeht.

Tischendorf hat einige Argumente parat, warum: "Es ist in den Naturwissenschaften leichter, sein eigenes Forschungsfeld zu etablieren. Experimentieren heißt viel publizieren, es bedeutet Teamarbeit und mehr internationale Vernetzung. Schon als Doktorandin ist man viel mehr in Drittmittelprojekten tätig." Und damit weniger vom Doktorvater abhängig.

Auch Inken Lind vom CEWS hält es für ein "tief liegendes Missverständnis, dass es Frauen in Fächern, in denen es viele Frauen gibt, einfacher haben. Das Gegenteil ist der Fall." Die Konkurrenz ist größer, zugleich verschafft der Umstand, in der Minderheit zu sein, den Männern offenbar keinen Nachteil. In typischen Frauenfächern wie den Sprach- und Kulturwissenschaften, in denen der weibliche Anteil der Studienanfänger über 60 Prozent liegt, bricht der Frauenanteil ab der Promotion um bis zu 45 Prozent überproportional ein.

Daniela Lavanger* hat Kulturwissenschaften studiert. Ihre Zeit als Juniorporfessorin ist fast um. "Ich bin eine Königin ohne Land", sagt die 41-Jährige nüchtern. "Das System Juniorprofessur funktioniert nicht." 2002 eingeführt, um dem wissenschaftlichen Nachwuchs früher und ohne Habilitation zu einer Professur zu verhelfen, hat sich das Modell nicht bewährt.

Nur 8 Prozent der Juniorprofessuren wurden mit der Option auf Umwandlung in eine feste Stelle ausgeschrieben, dafür aber mehr und mehr unbefristete Mitarbeiterstellen abgeschafft. Und die Habilitation stellt immer noch die Regel dar. "Die Unis kassieren Geld dafür, kümmern sich aber nicht, was aus einem wird", sagt Lavanger.

Iris Därmann musste fünf Jahre nach der Habilitation auf eine Berufung warten. "Wenn man dann keine Mitarbeiterstelle hat und alle Fördermöglichkeiten ausgeschöpft sind, wird es bedrohlich", erinnert sie sich. Heute forscht die interdisziplinär arbeitende Philosophin am Berliner Exzellenzcluster "Topoi" mit Schwerpunkt Altertum. Ihre Mitarbeiterin Anna Echterhölter findet die Juniorprofessur dennoch nicht ganz unattraktiv, da sie "mehr in Reichweite" erscheint.

"Man muss sich als Professorin selbst erfinden", sagt Därmann. Sich selbst erfinden, das heißt: ein Forschungsfeld finden und besetzt halten – gerade in den Geisteswissenschaften, wo es mehr und mehr als Privileg gilt, vom Unterrichten befreit zu sein. "Man kommt immer wieder an den Punkt, dass es doch Habitusfragen sind", sagt Därmanns Mitarbeiterin Echterhölter. Und da kommt selbst toughen Akademikerinnen das dazwischen, was Därmann die "Selbstverkleinerungsmechanismen" der Frau nennt: viele Wissenschaftlerinnen treten weniger offensiv auf, nehmen sich oder ihr Forschungsvorhaben weniger ernst. Das allerdings ist kein unispezifisches Problem.

Unispezifisch jedoch ist, dass der Abbau des Mittelbaus durch die schleichende Abschaffung unbefristeter Stellen das universitäre System für Frauen noch undurchlässiger macht. "Der Mittelbau hat keine Lobby", sagt Mechthild Koreuber, von der FU Berlin. "Und ist komplett überlastet." Koreubers Universität liegt beim Ranking unter Gleichstellungsaspekten ganz vorn. "Wir sind früh den Weg gegangen, nicht nur auf individuelle Förderung, sondern auch auf strukturelle Effekte zu setzen", berichtet die Frauenbeauftragte. "Die Kombination hat's gebracht."

Iris Därmann ist kinderlos, Caren Tischendorf auch, Daniela Lavanger hat zwei und ist die Hauptverdienerin der Familie. Wie auch Bettina Hartmann. Wie ließe sich das Unisystem frauen- und familienfreundlicher gestalten? Inken Lind glaubt: "Durch eine Ausweitung der Altersgrenzen bei der Vergabe von Stipendien und Professuren." Christine von Oertzen fordert: "Die Habilitation abschaffen!" Iris Därmann möchte: "Die Quotierung ausprobieren!" Caren Tischendorf erwartet: "Ein Umfeld, in dem Kinderversorgung selbstverständlich ist." Daniela Lavanger hofft auf: "Mehr Flexibilisierung im Mittelbau". Und Bettina Hartmann? Sie wünscht sich, außerhalb der Uni einen Quereinstieg machen zu können. Bei einem Verlag, in einer Schule. Doch dafür ist sie nach 16 Jahren Uni maßlos überqualifiziert. Eine Königin ohne Land.

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21 Kommentare

 / 
  • PD
    Prof. Dr. Ursula Schauer

    Ja ja; ein weiterer Frauen-Jammer-Artikel ohne irgendeinen neuen Aspekt. Die meisten bisherigen Kommentare bringen es bereits auf den Punkt: Die aufgezählten Probleme, Druck, Konkurrenz, Stellenunsicherheit etc. sind mitnichten frauenspezifisch. Allenfalls die Familienfrage könnte man noch lassen, aber hier weist Frau Haumann in ihrem Kommentar auf die USA und damit darauf hin, dass auch der Punkt nicht alles erklärt.

    Es ist aber doch bemerkenswert, dass solche beliebig an den Haaren herbeigezogenen Argumente immer wieder in diesem und ähnlichen Artikeln zusammengeschleppt werden, um zu begründen, warum wir armen Frauen damit besonders bestraft und wahlweise aus Wissenschaft, Politik und anderen Feldern herausgehalten werden. Die Aufgabe in der Wissenschaft Ergebnisse zu publizieren (ohne das wissenschaftliches Arbeiten keinen Sinn macht), das Ansinnen, auch nach der Promotion sich einem neuen Thema zu zuwenden (wohlgemerkt, hier geht es um Wissenschaft und nicht um Finanzbuchhaltung), dies alles „tut Frauen keinen Gefallen“. Sollte dies wirklich so sein, was ich vehement bestreiten möchte, dann wäre dies in der Tat ein Argument, dass Frauen für die Wissenschaft offenbar nicht taugen.

    Am augenfälligsten wird die Verdrehung der Argumente bei dem Erklärungsversuch, warum der Frauenanteil in frauentypischen Fächern von 60% beim Studienabschluss schon in der Promotion stark einbricht und bei wenigen Professorinnen endet, während bei den Naturwissenschaften der niedrige Anfangsprozentsatz sich wesentlich besser hält. Plötzlich sind die „Männerdomänen“ Physik et al., offenbar genderunabhängig, durchlässiger, wohingegen die Männer in den Kulturwissenschaften zwar „Minderheiten sind, (was) aber offenbar für sie kein Nachteil ist“. Ei der Daus! Ich bin allerdings noch nicht auf die Argumentationslinie gestoßen, die auch dies jetzt knallhart mit Frauenbenachteiligung erklärt.

    Erst gegen Ende des Artikels kommt in genau 6 Zeilen der „Selbstverkleinerungsmechanismus“ der Frau zur Sprache, der (in Deutschland besonders viele?) Frauen weniger offensiv macht. Das möchten wir natürlich nicht so gern – selbst verantwortlich sein für den beklagten Zustand. An unserem Institut haben mehr als 60% der Sekretärinnen Abitur und manche sogar einen Hochschulabschluss. Wer hat sie alle gezwungen, sich auf den Job einer Sekretärin (Gehaltsstufe Hungerlohn) zu bewerben, auf den sich allerdings kein Mann bewirbt? Es würde meines Erachtens die ganze Genderdiskussion einen ernsthaften Schritt weiter bringen, wenn wir die Zustände viel stärker als bisher an der Hypothese „Selbstverkleinerungsmechanismus“ prüfen würden als uns ständig jede neu aufpoppenden strukturelle Änderung so hinzudrehen, dass sie ins vorgefasste Konzept passt. So läuft Wissenschaft genau nicht!

    Ein letztes: Um Gottes Willen KEINE Quotierung! Denn dann würden wir in den Naturwissenschaften, wo es sowieso schon schwer ist, Leute zu finden, überhaupt niemanden mehr finden. Ich setze mich als Frauenbeauftragte gerne vehement dafür ein, wirklich jeder qualifizierten Frau den Teppich auszurollen, wenn sie sich bewirbt – aber diesen Schritt muss sie schon alleine machen!

  • R
    Rolf

    Auch ich stimme zu, dass es sich nicht primaer um ein Frauenproblem handelt. Das Hauptproblem ist, dass die praktisch einzige Art einer unbefristeten Stelle in Deutschland eine Professur ist und es kaum Professuren gibt. D. h. ein Nachwuchswissenschaftler qualifiziert sich Jahre lang fuer eine Professur, ohne zu wissen, ob sie/er je eine Stelle bekommt. Diese Unsicherheit der Berufsperspektive ist sowohl fuer Maenner als auch fuer Frauen unzumutbar.

    Zwar kommt bei Frauen das Kinderproblem hinzu, aber dafuer haben es Frauen tendentiell ein wenig leichter, in einem Berufungsverfahren durchzukommen. (Weil jede Universitaet ihre Frauenquote erhoehen moechte.) Ob Maenner oder Frauen unter dem Strich eine bessere Gesamtsituation haben, scheint mir nicht ausgemacht zu sein.

    In jedem Fall koennte man die Situation von sowohl Frauen als auch Maennern signifikant verbessern, wenn man durchgehend Juniorprofessuren einfuehrt, die nach 6 Jahren in eine feste Stelle muenden ("tenure track"). Aber diese Loesung wird schon seit Jahren von allen moeglichen Seiten gefordert, ohne dass sich irgendetwas aendert. (So weit ich sehe, hat keine Partei bisher das Problem erkannt und eine entsprechende Loesung im Programm.) Die fuer Wissenschaftler sinnvollste Art, mit dem Problem umzugehen, ist momentan, spaetestens nach der Promotion ins englischsprachige Ausland zu gehen (- so wie ich.)

  • S
    Stephan

    Wieder und wieder darf man in launigen Artikeln lesen wie unterschiedlich Männlein und Weiblein daoch sind. So mancher Urwald wurde für Literatur über die Unterschiede zwischen Mann und Frau abgeholzt. Nur wenn es um die Karriere geht ist alles Wissen wie weggeblasen. Frauen (jajajaja nicht alle) haben weniger Schaffens- und Geltungsdrang, haben weniger Unternehmergeist, sind weniger belastbar und weniger kreativ. Frauen bekommen auch nach heutigem Wissensstand immer noch hin und wieder Kinder. Das sind mir schon mal Argumente genug, warum es niemals eine 50:50 Quote geben wird. Daher darf es meiner Meinung nach auch nirgends eine Quotierung geben, aber ein Umfeld das gleiche Chancen ermöglicht.

  • H
    hessebub

    Tatsache ist, dass der der akademische Nachwuchs geschlechtsunabhängig verheizt wird. Bin selber ein Beispiel dafür. Andererseits lässt sich in Deutschland problemlos die gesellschaftliche Relevanz einer wissenschaftlichen Disziplin am Frauenanteil messen. Je bedeutungsloser, desto mehr Frauen dürfen Profs werden...bitter, aber wahr. Beliebtes - und dann doch wieder gegendertes - Überlebensmodell ist übrigens, dass der Ehemann eine akademische Karriere versucht, während die Ehefrau verbeamtet im Schuldienst ist (wo man auch problemlos mal Erziehungszeit nehmen kann)

  • A
    Apollo

    Ja, die Frauendiskrminierung ist schon schlimm. Ganz dolle schlimm. Im Hochschulbereich ist sie so schlimm, wie es der Artikel beschreibt.

    Aber auch in anderen Bereichen. Obwohl Frauen 50% der Weltbevölkerung stellen, werden immer noch 100% der Mülltonnen von Männern geleert.

    Obwohl Frauen 50% der Weltbevölkerung stellen, sind nur 5% der Knastinsassen weiblich.

    Obwohl Frauen 50% der Weltbevölkerung stellen, sind nur 15% der Opfer von Arbeitsunfällen weiblich.

     

    Kein Problem, hab´s gern geschrieben. Ist ja erst das 22345765435435. Mal, dass wir uns mit dem Gendermüll auseinandersetzen.

     

    Also dann, bis zum nächsten Mal Frauendiskriminierung! Natürlich nur bei Führungspositionen. Denn wo man Gefahr läuft, sich die Fingernägel abzubrechen, da ist die Forderung nach Quote, äh, eher verhalten.

  • IB
    Ian Bellyn

    Dank an Frank Schirmer!

     

    Wer diesen Kommentar liest, den verweise ich an Frank Schirmers Kommentar (5 von unten).

  • W
    werg

    ach, die taz-kampflesben mal wieder

     

    ***Anmerkung der Redaktion: Nimm Dich in Acht werg – sonst kommen die "taz-Kampflesben" und holen Dich!

  • KA
    Karl Arsch

    Der Artikel vermischt leider allgemeinen (berechtigte) Klagen über das Mittelbausystem mit (berechtigten) Fragen zur Chancengleichheit, und da Frauen vs. Männer mit kinderlos vs. Eltern. Weniger wäre vielleicht mehr gewesen.

     

    @Jojo: Die Zahlen im Artikel sagen etwas anderes: Die Frauenquote fällt von z.T. über 50% Studienanfängerinnen zu unter 20% Berufungen (was natürlich heisst, dass sie Männerquote entsprechend drastisch steigt). Also sind deutlich nicht beide Geschlechter gleich betroffen, oder?

     

    @Dr Haumann: Natürlich gibt es in den USA genauso Frauenförderung, wie auch Minoritätenförderung. Und der Erfolg ist genau so bescheiden wir hier. Your point being...?

     

    @Patrick W: verstehe den Link nicht

  • CH
    Christine Herde

    Eine der Wurzeln für das Phänomen liegt im deutschen Halbtagsschulwesen: auch ich habe mir rechtzeitig überlegt Lehrerin zu werden, weil in unserem System das Risiko eine Familie zu gründen und Kinder aufzuziehen am besten mit einer beamteten Stelle im Hintergrund abzusichern ist: mit relativ flexiblen Arbeitszeiten (nicht "Halbtagsjob", das ist eine Frechheit angesichts der realen Lehrerarbeitszeit!) Zwei Freundinnen sind Professorinnen geworden, haben aber auch Kinder verzichtet - den Preis wäre ich nicht zu zahlen bereit gewesen! Ich finde meine Entscheidung richtig, heute nach meiner Pensionierung, auf Kinder hätte ich nicht gern verzichtet. Wohl aber müssen in deutschen Landen - in Mexiko etwa, wo ich länger gelebt habe, wäre das wohl nicht nötig gewesen: da gibt es Ganztagsschulen und klassenbedingt auch angenehme Formen der privaten Entlastung von Hausarbeit und Kinderbetreuung, was ja für unsereins auch nicht ganz politisch korrekt ist!

    Also weiter für ein integratives Ganztagsschulwesen eintreten - denn in dieser Hinsicht sind wir das Entwicklungsland!

  • L
    Leser

    In der gedruckten taz wird im Textkasten ständig von "akademischer Titel" und "Doktortitel" gesprochen. Kann Eurer Schlussredaktion mal jemand erklären, was ein Titel ist? Und dass es nunmal keine "akademischen Titel" gibt, sondern "Grade"? Ergo: Doktorgrad. Bitte für die Zukunft merken :)

  • P
    Paul

    Es ist wirklich jedem qualifizietem Uniabgänger, der sich um eine wissenschaftliche Laufbahn bemühen möchte, anzuraten, sich im europäischen und aussereuropäischen Ausland umzusehen. Dort findet nicht nur ein besseres Verhältnis von Arbeitszeit/Freizeit statt, sondern auch ein moderner, aufgeschlossener Umgang mit Wissenschaft.

  • H
    Holländer

    Sind Frauen nicht einfach zu schlau um Professorin zu werden? Wer möchte schon ein Jahrzehnt strampeln, ohne Zeit für Freunde, Familie und Hobbys. Um dann wenn man eine gute Forscherin geworden ist und vor allem viel Glück hat, als Professorin nie wieder Zeit zu haben für Forschung, sondern als moderne Projektprofessorin den ganzen Tag Anträge zu schreiben, Finanzverwaltung Gremienarbeit und Lehre zu machen. Und für alles was man macht hat man zu wenig Zeit es richtig zu machen. Also muss man ständig Studenten, Mitarbeiter und Kollegen enttäuschen und vertrösten. Und das als Mensch der eigentlich Wissenschaftler geworden ist, weil man gerade gerne gewissenhaft arbeitet und in die Tiefe geht. Es fragt doch auch keiner warum so wenige Frauen Müllmänner sind? Überlasse es doch den Männer sich maßlos zu überschätzen, sich kaputt zu arbeiten und das alles nur um von den Nachbarn wegen des Titels bewundert zu werden. Ich hätte lieber normale unbefristete Stellen für Forscherinnen und vernünftige Forscher.

  • DA
    Deutsche Arroganz

    Ob Männlein oder Weiblein:

    Ich empfehle euch, geht in die USA.

    Nicht alles ist dort perfekt, aber wer wirklich gut ist, hat sehr gute Chancen eine Professur oder eine sehr lukrative Position in der Industrie zu bekommen. Die deutsche Gesellschaft ist dermaßen verfilzt, hier wurde das Leistungsprinzip schon lange außerkraft gesetzt. Deutsche Uni-Professoren/innen regieren und bekriegen sich gegenseitig wie Feudalherren, Doktoranden sind Leibeigene, das ist alles nur noch absurd. Ich habe noch keinen deutschen Professor kennengelernt der sich nicht übermäßig selbst lobt und nicht schlecht über andere redet.

    In den USA outet man sich mit solcher Arroganz sehr schnell.

  • AH
    Anna Herbst

    @jojo & @Nils

    Also da klappt mir ja die Kinnlade runter - wie jetzt, es gibt keine Netzwerke fuer Maenner? Fast alle deutschen Wissenschaftlernetzwerke/-gesellschaften die ich kenne sind maennerdominiert.

    Ich habe in Deutschland studiert, dann den USA promoviert, und bin danach nach England, jetzt wieder in den USA. Es ist einfach unglaublich wie gross die Unterschiede zwischen USA und Deutschland (UK in meiner begrenzten Erfahrung ist da leider eher aehnlich zu Deutschland) sind. Im deutschen System geht es mindestens ebensoviel um Leistung wie um Ziehsoehne. Da werden Stellen eben bevorzugt an Zoeglinge einflussreicher Professoren gegeben. Klar, dass das auch mal schlecht fuer Maenner ausgehen kann und auch mal gut fuer Frauen. Aber entscheidend ist dass im Durchschnitt Frauen mehr darunter leiden. Diese Netzwerke zu oeffnen, darum geht es. Deshalb sind Frauennetzwerke gut - zur Beratung zur Familie/Beruf-Balance, um kluge Strategien gegen Diskriminierung zu entwickeln falls sie auftritt, etc...

    Das Hauptproblem bei akademischer Stellenbesetzung ist, dass es immer mehr qualifizierte Kandidaten als Stellen gibt. Das weiss man aber, bevor man mit der Diss anfaengt. Gleichberechtigung steht dafuer ein, dass man hinterher allen Kandidaten Chancen unabhaengig von ihrem Geschlecht einraeumt. Klingt toll auf dem Papier, passiert aber nunmal nicht.

  • W
    witzbold

    Da es ja im Artikel gerade um ein Genderthema geht, kann ich mir das nicht verkneifen:

     

    "Deutschland hat im europäischen Vergleich einen besonders niedrigen Frauenanteil in der Professorenschaft"

     

    Aus dem selben Grund gibt es nur wenige Studentinnen in der Studentenschaft, oder Putzmänner in der Putzfrauenschaft.

  • N
    Nils

    Ich muss JoJo hier zustimmen.Der Artikel sagt die Wahrheit, aber eben nur die Hälfte davon. Auch Männer leiden nicht zu knapp unter dem beschriebenen System. Der Druck auf den "Mittelbau", Vertragsverhältnisse die in der Wirtschaft nie erlaubt wären, unbezahlte Überstunden auf halben Stellen (und zwar gern mal 40 pro Woche) sind für alle Geschlechter ein Problem. Auch Männer würden gern eine Familie gründen oder, wenn sei schon eine haben, diese auch mal zu Gesicht bekommen. Das System reduziert die ForschInnen auf Arbeitsbienen.

    Und so sehr ich Mentoring Programme für Frauen gut finde um sich besser durch die Uni-Welt zu kämpfen, so ist es doch schade, dass tatsächlich an den drei Universitäten an denen ich bisher war, kein einziges für männliche Menschen existert.

  • FS
    Frank Schirmer

    Angesichts der Brutalität mit der höchstqualifizierte Nachwuchswissenschaftler im feudalen deutschen Wissenschaftssystem verbrannt werden und mittelmäßige Schützlinge von Wissenschafts-Gutsherren/frauen die Habil/Professur nachgeschmissen bekommen, angesichts der skandalösen Ausbeutung und des geistigen Diebstahls an Doktoranden, Postdocs und Habilitanten, angesichts dieser Mißstände ist die Frauen-Quote nur ein Randproblem.

  • DR
    Dr. Renate Haumann

    In den USA gibt es keine Gender-Quoten und Kindererziehung ist 100% Privatsache.

    Der Gender-Terror ist ein ausgeprägt europäisches/deutsches Phänomen.

    In Zukunft sollen wissenschaftliche Anträge bei der DFG auf ihre Gender-Korrektness geprüft werden. Ein Wahnsinn! Die DFG ist ohnehin schon ein unglaublicher Klüngel und jetzt wird dem ganzen auch noch die Gender-Kappe aufgesetzt.

    Lassen wir doch am besten die Wissenschaft ganz bleiben. Die DFG verwaltet doch sowieso nur Pfründe nach den politischen vorgaben.

     

    Warum gibt es so wenige Frauen als selbstständige Unternehmerinnen? Wieviele Frauen sind Patentinhaber, schaffen Arbeitsplätze, gründen Unternehmen? Wer diese Frage beantwortet,weiß auch, warum es weniger weibliche Professorinnen gibt.

  • PW
    patrick w.

    schauen sie doch bitte mal hier:

     

    http://www.zar.uni-karlsruhe.de/iirspiecker/

  • J
    jojo

    Fast alles was in dem Artikel steht, ist richtig. Aber in ihm steht nur die halbe Wahrheit. Mit exakt denselben Schwierigkeiten haben junge männliche Wissenschaftler auch zu kämpfen. Und für die gibts weder Förderprogramme noch spezielle Mentoring-Netzwerke, weder Quoten noch öffentliche Aufmerksamkeit. (Oder wann hat die taz sich das letzte mal um DIESE Gruppe gekümmert?) PROZENTUAL betrachtet werden mehr begabte männliche Wissenschaftler verschlissen und weggeworfen als weibliche (die Erfolgsquoten von Frauen in Bewerbungsverfahren sind wg. politischer Einflussnahme und Quotenregelungen nun einmal höher als die von Männern), in ABSOLUTEN ZAHLEN sind es viel mehr. Man darf nicht immer nur auf die Sieger des Systems blicken, man muss auch sehen, wer geopfert wird. Und das ist - geschlechtsneutral - viel zu viel begabter Nachwuchs. RICHTIG IST deshalb, dass sich das System ändern muss. Aber es muss sich ändern FÜR ALLE.

  • F
    Fawkrin

    Guter Beitrag. Er zeigt mal wieder, leider, wie verkrustet und "altertümlich" die Strukturen in Deutschland geworden sind.

    Meines Wissens hat Saudi-Arabien bereits mehr weibliche Hochschullehrerinnen wie Deutschland. Von Ländern wie den USA, Japan oder Indien will ich gar nicht reden.

    Der Beitrag zeigt mir wieder, das Deutschland hinter den Kulissen ein immer noch frauenfeindliches und kinderfeindliches Land ist, was seine Zukunft verspielt.