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Wen kann es wundern?

betr.: „Eine Geste, die überfällig war“ (Schwule rehabilitiert, taz vom 9./10. 12. 00

Wenn der Sprecher der Union erklärt hat, „dass die bundesdeutsche Rechtsprechung der damaligen Zeit kein ‚Ruhmesblatt‘ gewesen sei, weil die moralischen Unwerturteile gegen Homosexuelle fast wortgleich mit dem Vokabular der Nationalsozialisten formuliert worden waren“, dann ist das eine ebenso bemerkenswerte wie „überfällige“ Feststellung. Der Sprecher hätte allerdings hinzufügen sollen, dass die CDU ein gerüttelt Maß an Verantwortung für diesen unwürdigen Sachverhalt trägt.

In Adenauers Bundeskanzleramt schaltete und waltete damals Hans Maria Globke, der Verfasser und Kommentator von Hitlers Nürnberger Rassegesetzen. Artikel 131 GG hatte keinen anderen Zweck, als schwer belastete Nationalsozialisten, die von den Alliierten aus ihren Ämtern entfernt worden waren, bevorzugt wieder in leitende Positionen zu bringen und ihre Pensionsansprüche zu sichern. Der Justizapparat war in den ersten Nachkriegs-Jahrzehnten durchsetzt mit hunderten von ehemaligen Kriegsgerichtsräten, Feldgerichtsräten, Oberstabsrichtern, Richtern und Staatsanwälten bei Sondergerichten, ja, selbst Richtern und Staatsanwälten bei Freislers berüchtigtem „Volksgerichtshof“. Tausende von Todesurteilen – nicht wenige davon wegen „Rassenschande“ – hatten diese Herren auf dem Gewissen, die in diesen Jahren wieder „Recht“ sprachen. Wo es sich um dieselben Personen handelt, wen kann es da wundern, dass auch ihr Vokabular wortgleich mit dem der Nationalsozialisten war?

ULRICH UFFRECHT, Buxtehude

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