: Wem gehört das Herz von Onkel Horst?
■ Seehofer will noch in diesem Jahr Organtransplantationen gesetzlich regeln
Berlin (taz) – 1995 will Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CDU) es wagen: Endlich soll der bundesdeutschen Transplantationsmedizin eine gesetzliche Grundlage gegeben werden. Noch in diesem Monat will Seehofer ein Gesetz vorlegen, das die Verpflanzung menschlicher Organe bundeseinheitlich regelt. Im Unterschied zu vielen Nachbarstaaten operieren die Transplantationsmediziner in der Bundesrepublik bisher im rechtsfreien Raum.
Seit Monaten schon liegt ein fertig ausgearbeiteter Gesetzentwurf in den Schubläden des Gesundheitsministeriums. Doch bisher waren Seehofer die Hände gebunden. Erst mit einer Grundgesetzänderung im September vergangenen Jahres bekam der Bund die Regelungskompetenz für die Transplantationsmedizin übertragen – bis dahin waren die Bundesländer für diesen Bereich zuständig.
Soweit bisher bekanntgeworden ist, setzt Seehofer mit seinem jetzigen Entwurf auf die sogenannte Informationslösung: Potentielle Organspender sollen bereits zu Lebzeiten erklären, ob sie einer Organentnahme zustimmen. Liegt eine derartige Erklärung nicht vor, müssen die nächsten Verwandten entscheiden, ob Herz, Nieren, Leber oder die Lungen einem Transplantationszentrum zur Verfügung gestellt werden dürfen.
Seehofer stimmt damit in den grundsätzlichen Punkten mit den Vorstellungen der SPD-Bundestagsfraktion überein. Auch die SPD-regierten Länder Bremen und Hessen hatten vor einiger Zeit ein entsprechendes Gesetz in den Bundesrat eingebracht. Die Chancen, daß Seehofers Entwurf eine Mehrheit im Bundestag und in der Länderkammer finden wird, werden deshalb als sehr günstig eingeschätzt.
Die Politiker stehen unter Zeitdruck, denn seit der Streit über die Hirntod-Definition in der Öffentlichkeit ausgetragen wird, gingen die Organspenden spürbar zurück. Zu erwarten ist, daß mit den geplanten Regelungen diese Todesdefinition jetzt gesetzlich festgeschrieben wird. Wolfgang Löhr
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