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Weltwirtschaftskrise trifft AfrikaKontinent meistbietend zu verkaufen

In der Weltwirtschaftskrise verkaufen immer mehr afrikanische Länder das letzte Gut, das ihnen noch bleibt: Land. Dort, wo Millionen hungern, wollen Konzerne billige Agrargüter produzieren.

Shoppen in Tansania: IWF-Chef Strauß-Kahn prophezeit den afrikanischen Ökonomien eine düstere Zukunft. Bild: dpa

NAIROBI taz Tröstende Worte hatte IWF-Chef Dominic Strauss-Kahn für die Finanzminister und Funktionsträger aus Afrika in der tansanischen Hafenstadt nicht übrig: "Auch wenn es gedauert hat, bis die Krise Afrika erreicht hat: Sie kommt, und ihre Folgen werden schwer sein." Strauss-Kahn sprach seine Warnung auf dem Gipfeltreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) aus, der am Dienstag in Daressalam begann. "Afrikas Aufschwung wird enden, Millionen werden erneut verarmen", sagte der IWF-Chef. Schon die bislang befürchtete Halbierung des afrikanischen Wirtschaftswachstums auf 3 Prozent sei kaum zu halten, so Strauss-Kahn.

Vor allem Afrikas reichere Nationen spüren die Krise schon seit Monaten. Händeringend suchen Regierungen nach neuen Einnahmequellen - und haben eine der letzten begehrten Ressourcen entdeckt, die ihnen noch zum Verkauf bleibt: Land. Weil Erz- und Ölpreise gesunken sind, Investoren und Touristen ausbleiben und afrikanische Auswanderer immer weniger Geld aus dem Ausland nach Hause überweisen können, klingen die Angebote vor allem aus Asien und Arabien immer attraktiver. Schon in wenigen Wochen wird der saudische Konzern Hadco auf seinen Feldern im Sudan die erste Ernte einfahren. Gemüse, Weizen und Viehfutter von 10.000 Hektar Land sollen helfen, den seit Jahren steigenden Bedarf an Lebensmitteln in Saudi-Arabien zu decken. Für das Land an den fruchtbaren Bänken des Nils hat Hadco unbestätigten Informationen zufolge 95 Millionen US-Dollar Pacht an die Regierung in Khartum gezahlt - und mehr Geld soll folgen. Sudans Regierung hat den Golfstaaten angeblich bereits 900.000 Hektar bestes Farmland zugesagt, für 99 Jahre Pacht. Offiziell will das in Khartum freilich niemand bestätigen. Denn der Verkauf von Ackerland an ausländische Investoren ist bei den Bürgern, fast überall in Afrika überwiegend Kleinbauern, nicht sonderlich beliebt. Am höchsten hinaus will der koreanische Mischkonzern Daewoo, der auf Madagaskar Futtermais und Ölpalmen anbauen will. 1,3 Millionen Hektar hat die Regierung des bettelarmen Inselstaats dafür bereitgestellt. In Kenias Tana-Flussdelta sollen 40.000 Hektar Land an den Golfstaat Katar verpachtet werden - zum Anbau von Früchten und Gemüse. Ein Viertel Ersparnis gegenüber dem Weltmarktpreis erwarten die Regierungen, die mit den Verpachtungen praktisch ihr Hoheitsgebiet erweitern. Von "Neokolonialismus" sprechen denn auch Kritiker wie der britische Umweltschützer George Monbiot. "Früher haben die reichen Nationen Kanonenschiffe und Glasperlen eingesetzt, heute sind es Anwälte und Scheckbücher", so Monbiot. "Der Westen will sich mit aller Kraft vor der drohenden Nahrungsmittelkrise retten, auch wenn das heißt, das Menschen anderswo verhungern werden."

Doch diese Kritik teilen nicht alle. Der Nahrungsmittelexperte des UN-Umweltprogramms, Christian Nellemann, betont, es führe kein Weg daran vorbei, die vorhandenen Ackerflächen besser zu bewirtschaften. "Wir müssen auch verhindern, dass mehr als die Hälfte aller geernteten Güter bei Transport und Lagerung verloren gehen", so Nellemann. "Aber wir müssen auch die Ernteerträge erhöhen, wenn wir angesichts des Bevölkerungswachstums die drohende Hungerkrise aufhalten wollen."

Mary Fosi, Staatssekretärin in Kameruns Umweltministerium, bettelt förmlich um Investoren: "Hauptsache, jemand entwickelt unsere Landwirtschaft." Natürlich wäre es schöner, wenn Kamerun Unterstützung beim Aufbau seiner eigenen Landwirtschaft bekäme, sagt Fosi. "Aber wir können es uns eben nicht aussuchen."

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