Weltwirtschaftsforum: Das Ende von Davos
Das Elite-Treffen steckt in einer tiefen Krise. Sein Niedergang könnte das Ende der bisherigen finanzkapitalistischen Strukturen markieren. Und China hat sein eigenes Davos.
Eigentlich wollten die 2.500 exklusiv ausgewählten Banker, Regierungsvertreter und Top-Manager nur mal tief durchatmen. Für ein paar Tage in den Schweizer Alpen frische Luft tanken und bei Rotwein und Kaviarhäppchen entspannt über bessere Zeiten reden - die Zeit nach der Finanzkrise. Denn die vergangenen zwei Jahre waren für sie wirklich nicht leicht. Doch auch in Davos geht es in diesen Tagen alles andere als entspannt zu.
Ausgerechnet zum 40. Geburtstag ist die Stimmung auf dem Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos so mies wie noch nie. "Wir sind nicht im Jahr eins nach der Krise, sondern noch im dritten Krisenjahr", warnt Bundesbankchef Axel Weber. Die Business Week verkündet angesichts der schlechten Stimmung bereits den Tod des "Davos Man". Und WEF-Gründer und Hauptveranstalter Klaus Schwab redet offiziell zwar von "neu denken, neu gestalten und neu schaffen" und plädiert dafür, "den Zustand der Welt" zu verbessern.
Doch was nach Aufbruch und Zuversicht klingen soll, wirkt eher wie eine Durchhalteparole, um die lähmende Ratlosigkeit der Wirtschaftselite angesichts des von ihr verursachten Desasters auf den Weltfinanzmärkten zu kaschieren. In einem Interview mit dem Handelsblatt gibt Schwab denn auch zu: "Wir sollten uns fragen, ob wir nicht zum Nullpunkt zurückkehren müssen, um unsere globalen Probleme völlig neu zu überdenken."
Markiert das 40. Treffen den Anfang vom Ende von Davos? Einst als "European Management Forum" von dem deutschen Wirtschaftswissenschaftler Klaus Schwab gegründet, hat sich das WEF vor allem seit dem Mauerfall zum Inbegriff der neoliberalen Globalisierung entwickelt. Schwabs Vorstellung: Die ganze Welt in einem Dorf sollte bildlich gesprochen zumindest einmal im Jahr Wirklichkeit werden.
Und es sollte keineswegs nur um ökonomische Absprachen gehen. Wozu diplomatisch hochkomplizierte Gipfeltreffen abhalten, wenn sich die großen politischen Konflikte dieser Welt auch nett bei einem Glas Wein am Kamin im lauschen Winterwetteridyll entschärfen lassen? Dabei ging es ihm nicht nur darum, Regierungsvertreter miteinander klönen zu lassen, sondern auch Wirtschaftsbosse, Banker und vielleicht auch den einen oder anderen Musiker, Hollywood-Schauspieler und NGO-Vertreter - all das gehörte zum Konzept von Davos.
Gut gemeint, nun aber doch gescheitert. Denn im Jahre zwei nach der Lehman-Pleite hat sich vor allem die globalisierte Wirtschaftselite, die jenseits von Staat und Institutionen Reichtum und eine bessere Welt für alle versprach, gründlich blamiert.
Top-Banker trauen sich zwar wieder aufs Parkett, nachdem viele von ihnen im vergangenen Jahr im Zuge der allgemeinen Wut auf Banker- und Hedgefonds-Manager auch dem Elitetreffen lieber fernblieben. Doch längst findet die Abstimmung mit den Füßen statt. US-Präsident Barack Obama glänzt demonstrativ durch Abwesenheit, Kanzlerin Angela Merkel ebenso. Der türkische Ministerpräsident Erdogan hat bereits im vergangenen Jahr nach dem Eklat auf einer Podiumsdiskussion mit dem israelischen Präsidenten Schimon Peres geschworen, nie wieder einen Fuß nach Davos zu setzen.
Vor allem aber die "Global Player" von morgen und derzeitigen Zugkräfte der Weltwirtschaft bleiben dem Schweizer Luftkurort fern. Indische, brasilianische, türkische und ostasiatische Delegationen sind in Davos rar. Und die Chinesen haben seit kurzem ohnehin ein eigenes Treffen: das Boao Asienforum auf der Tropeninsel Hainan. Entscheidungen von Bedeutung - wie etwa die Bewertung des Renminbi - verkündet der chinesische Präsident künftig dort.
Immerhin hat WEF-Chef Schwab den Bedeutungsverlust seines Babys erkannt. Er will den Frauenanteil von derzeit 15 Prozent erhöhen, mehr Akteure der Zivilgesellschaft einbinden, Vertreter der Schwellenländer noch dezidierter einladen und die Zahl der Unternehmer senken.
Ob das genügt? Nicht nur viele Teilnehmer werden sich spätestens nach dieser Woche fragen: Wozu 15.000 Euro Teilnehmergebühr zahlen für ein Treffen von einst weltpolitischem Format, wenn die entscheidenden Weltakteure gar nicht mehr anwesend sind?
Ein kleiner Trost für den Davos-Man bleibt: Auch die Macher der Gegenveranstaltung, des Weltsozialforums in Porto Alegre, haben Probleme. Jedoch nicht so sehr aufgrund einer Legitimationskrise. Angesichts immer weiter steigender Teilnehmerzahlen wissen sie nicht, wie sie logistisch das nächste Treffen abhalten sollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Pro und Contra
US-Präsident Biden hat seinen Sohn begnadigt – richtig so?