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Weltwirtschaftsforum in DavosDas Thermometer der Weltökonomie

Die Krisenstimmung der Wirtschaftsbosse ist vorbei, die Quecksilbersäule bewegt sich wieder deutlich in Richtung „normal“. Doch ein paar Kritiker bleiben.

In Davos kennt man nur eine Richtung. Bild: ap

DAVOS taz | Die Stimmung beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos war deutlich besser als in den Vorjahren. 2009 und 2010 stand die akute Finanzkrise im Mittelpunkt, danach ging es um die Reparaturmaßnahmen. 2013 dann herrschte eine Stimmung von Verschnaufen und Durchatmen. Nun lautete die zentrale Botschaft: Manches liegt im Argen, aber vieles wird auch besser.

Bei kaum einer anderen Veranstaltung treffen so viele Vertreter der globalen Wirtschafts- und Politikelite aufeinander. Deshalb erfüllt das WEF die Funktion eines Thermometers, dessen Stand Hinweise auf die Gesundheit der Weltökonomie gibt. In diesem Jahr bewegte sich die Quecksilbersäule deutlich in Richtung „normal“.

Deshalb war das WEF 2014 ein eher unaufgeregter Kongress, der sich über weite Strecken mit den Problemen und Konflikten beschäftigte, die in anderer Ausprägung schon früher immer wieder auf der Tagesordnung standen. Zwei Ausnahmen allerdings gab es doch: das mahnende Grußwort des Papstes zur sozialen Ungleichheit und den kompromissbereiten Auftritt des iranischen Staatspräsidenten.

Zuerst die weniger optimistischen Einschätzungen: Unter anderem Axel Weber, Verwaltungsratsvorsitzender der Schweizer Bank UBS, wies auf die schwachen Wachstumsaussichten in Europa hin. Die EU und der Euro seien zwar stabilisiert, aber die Arbeitslosigkeit würde kaum sinken. Andere bemängelten, dass zu allem Überfluss die Dynamik in Schwellenländern wie China nachlasse. Auch der Bürgerkrieg in Syrien bereitete vielen WEF-Teilnehmern Sorgen.

Dass die zunehmende Polarisierung von Einkommen und Vermögen in Entwicklungs-, Schwellen-, aber auch Industrieländern zum Problem wird, war den Organisatoren des WEF selbst aufgefallen. Zusätzliche Bedeutung bekam dieses Thema jedoch dadurch, dass erstmals in der 44jährigen Geschichte der Veranstaltung der Papst einen Sonderbotschafter in die Graubündener Alpen schickte. Das Oberhaupt der katholischen Kirche mahnte, eine Wirtschafts- und Sozialpolitik zu betreiben, die zu einer gleichmäßigeren Verteilung des Wohlstandes führe.

Die alten Rezepte

Die meisten Redner des Forums boten dazu die bekannten Rezepte an: Wachstum, technische Innovation, neue Produkte, freier Handel, weniger Regulierung. Wie die Beispiele China, Brasilien, Mexiko oder Türkei zeigen, kann diese Strategie funktionieren. Während des Schubs der neuen Globalisierung seit Mitte der 1970er Jahre haben sich hunderte Millionen Menschen weltweit aus der Armut herausgearbeitet. Die globale Mittelschicht wächst. Unter den Industrieländern bekam Deutschland besonders gute Noten: Viele WEF-Teilnehmer sahen in der Deregulierung des Arbeitsmarktes während der Schröder-Regierung eine Ursache für den gegenwärtigen Aufschwung.

Stiefmütterlicher behandelt wurde dagegen Überlegungen, wie das trotz dieser Erfolge zu verzeichnende Auseinanderdriften von Arm und Reich zu dämpfen wäre. Selten nur analysierten WEF-Teilnehmer das Beispiel Brasiliens. Die dortigen Regierungen haben beides geschafft – zunehmenden gesamtgesellschaftlichen Wohlstand bei gleichzeitiger Reduzierung der sozialen Spreizung. Erreicht wurde dies, indem man Wachstumspolitik mit Programmen zur Armutsbekämpfung und Bildung ausbalancierte.

Beschwörung des Aufschwungs

Trotz derartiger Debatten über Missstände dominierte dennoch die positive Sicht. Auf der Haben-Seite verbuchten die meisten WEF-Redner, dass Europa auf dem Weg der Besserung sei. Dazu passten aktuelle Meldungen: Kürzlich konnten die Krisenstaaten Irland, Portugal und Spanien Staatsanleihen zu annehmbaren Preisen verkaufen. Die Investoren sind wieder bereit, ihnen Geld zu leihen. Der Aufschwung in den USA ist unterwegs. Dort sinkt die Arbeitslosigkeit, und die Produktivität wächst. Selbst Japan hofft, seine 20jährige Stagnation abzuschütteln.

Die überragende positive Botschaft aber überbrachte Irans Staatspräsident Hassan Ruhani. Er versprach Ausgleich mit den Nachbarn, Kooperation und den Verzicht auf Atomwaffen. Nicht alle glaubten ihm – am wenigsten Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Einige Kommentatoren dagegen verstanden Ruhanis Auftritt als „wichtigste Davos-Rede der vergangenen Jahre.“ Man könne sie lesen als einen lange erwünschten Schritt auf dem Weg zum Frieden im Nahen und Mittleren Osten.

Insgesamt schaltete das Forum vom Krisen- und Erschöpfungsmodus der vergangenen Jahre deutlich auf Fortschritt um. Regierungschefs wie Netanjahu, Enrique Pena Nieto aus Mexiko und Tony Abbott (Australien) verbrachten wesentliche Teile ihrer Redezeit vor dem Plenum einfach damit, die Vorteile ihres Landes für ausländische Investoren herauszustellen. Mit anderen Worten: Es geht vorwärts, lasst uns anpacken.

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3 Kommentare

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  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Gute Noten für den neuen Sklavenhalterstaat Deutschland. Ja, macht es ihm nur alle nach, wenn ihr unbedingt eine schöne Absatzkrise erleben wollt.

  • Hallo Herr Koch , ... waren Sie selbst zur Hofberichterstattung huldvoll von den Majestäten zugelassen und anwesend ? Man findet in Ihrem Bericht nicht die leiseste Andeutung eines kritischen Gedankens .

     

    Und hallo auch taz-Redaktion : BITTE nicht in Richtung FAZ SZ SPON WELT absacken !

  • PL
    Peter Lacht

    Entschuldigung, aber das hier ist Hofberichterstattung. Eine kritische Tageszeitung kann doch nicht einfach die Erzählungen, die sich die globale Wirtschaftselite über ihr eigenes Tun zurechtlegt, so ungefragt reproduzieren!

    Dass Wachstum, freier Handel und weniger Regulierung (!) als Rezept für eine weltweit gleichmäßigere Verteilung des Wohlstands funktionieren soll, ist ein schlechter Witz. Die extreme Polarisierung von arm und reich nimmt zu, seit diese Mantren die globale Agenda bestimmen; sie (bzw. die Interessen, die hinter diesen Phrasen stehen) sind Ursache, nicht Lösung des Problems. Dass Deutschland für die Deregulierung des Arbeitsmarktes "besonders gute Noten" bekommt, überrascht auch wenig. Schließlich ist das das Totschlagargument, mit dem Deutschland und die globale Wirtschaftselite den krisengebeutelten Euroländern den Angriff auf ihre lohnabhängige Bevölkerung aufzwingen. Und dass, schließlich, in Davos Aufbruchsstimmung herrscht und gar einigen europäischen Ländern wieder "Vertrauen" geschenkt wird, als "positive Sicht" zu euphemisieren, verschweigt, welche tiefgreifende soziale Transformation in Europa diesem Optimismus zugrunde liegt. Während sich die Banken und Konzerne durch Bailouts und Konjunkturpakete schön vom Staat haben unter die Arme greifen lassen, hat der Druck der Investoren dafür gesorgt, dass sich die gleichen oder andere Staaten die Kohle von der Bevölkerung zurückholen. Die von der Troika und anderen Institutionen aufgezwungene Deregulierung der Arbeitsmärkte in Südeuropa hat schwups auch noch die Profitabilität dort engagierter Konzerne verbessert. Das prekäre Projekt, die Krisenschulden zu sozialisieren und weitere Gewinne zu privatisieren, ist, von ein paar Konzessionen abgesehen, endlich gelungen; da knallen die Champagnerkorken in den Schweizer Alpen gleich viel schöner. Prost!