■ Weltwirtschaft: Japan steuert geradewegs auf eine Deflationskrise zu: Einen Schritt näher am Abgrund
Es klingt wie das Pfeifen im Walde, wenn Japans Regierungschef Ryutaro Hashimoto der Welt erzählt, das Schlimmste der Asienkrise sei schon vorüber. Er habe die Entwicklung der japanischen Wirtschaft im Griff. Nur wie, das könne er noch nicht verraten.
Japans Regierung hat gar nichts mehr im Griff. Japanische Banken stehen vor der Pleite, die Konzerne investieren nicht mehr, die Konsumenten kaufen nichts mehr. Trotz eines 200-Milliarden-Dollar-Konjunkturprogramms regiert in den Privathaushalten eiserner Sparwille. Viereinhalb Prozent weniger als 1997 haben die Konsumenten zuletzt ausgegeben. Und seit 30 Jahren haben die Japaner nie einen so großen Anteil ihres Einkommens einfach gespart.
Japan steckt mitten in einer Rezession, der ersten seit über 20 Jahren. Beunruhigend ist das vor allem, weil zuvor schon Südostasien in die Krise geschlittert ist und ein Dominoeffekt für die gesamte Weltwirtschaft nicht mehr auszuschließen ist. Nachdem die Krise in Thailand, Malaysia und Indonesien ausgebrochen war, hieß es zunächst, sie werde in Korea gestoppt werden. Als das nicht gelang, waren die Herren der Finanzmärkte sicher, alles nicht so schlimm, solange nur Japan nicht kippt. Und nun?
Die Rating-Agentur Moody's hat japanische Staatsanleihen abgewertet, die Staatsschulden in Tokio würden einfach zu unkontrolliert wachsen. Und der Chef des Sony-Konzerns, Norio Ogha, sieht die Wirtschaft des eigenen Landes „am Rande des Abgrunds“ und die Weltwirtschaft vor einer Krise wie zuletzt 1929. Angesichts der schlechtesten Wirtschaftsdaten seit Jahrzehnten benehme sich Japans Premier Hashimoto wie einst US-Präsident Herbert Hoover. Der habe so 1929 die Krise ausgelöst, so Ogha.
Ogha warnt nicht nur aus Eigeninteresse. Sony hat 1997 seinen Umsatz um 17 Prozent auf 90 Milliarden Mark gesteigert. Vielmehr beschreibt er die Gefahr einer drohenden japanischen Deflationskrise für die Weltwirtschaft. Weniger Investitionen und immer weniger Konsum brächten immer mehr japanische Firmen in Schwierigkeiten. Mehr Pleiten in Japan zögen mehr Probleme bei den heimischen Banken nach sich, die schon heute unter ihren Fehlspekulationen auf dem Immobilienmarkt und der Asienkrise leiden. Müßten aber die japanischen Finanzhäuser irgendwann aus Krisengründen große Teile ihrer Anlagen aus dem Ausland zurückholen, der weltwirtschaftliche Kollaps stünde unmittelbar bevor. Schließlich gehört den sparsamen Japanern die Hälfte der weltweiten Ersparnisse. Hermann-Josef Tenhagen
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