Weltklimakonferenz in Poznan: Knochenarbeit für das Klima
Gesucht wird ein Gerüst zur Nachfolge des Kioto-Protokolls. Ob das gelingt, hängt von den europäischen Regierungschefs ab. Wer bringt die Verhandlungen voran?
Am Montag beginnt im polnischen Poznan (Posen) die 14. Weltklimakonferenz. 10.000 Delegierte, Experten, Lobbyisten und am Ende auch die Umweltminister werden über die Zukunft des Klimaschutzes und eine Nachfolgeregelung zum Kioto-Protokoll beraten. Doch worüber wird konkret gestritten? Wer blockiert, wer bringt die Verhandlungen voran? Und warum ist der nächste EU-Gipfel in Brüssel entscheidend für die Konferenz in Poznan? Hier die Antworten auf die zehn wichtigsten Fragen.
1. Worum geht es?
Mal wieder um die Rettung der Welt. Trotz aller Klimaschutzbemühungen verzeichnete die Weltmeteorologieorganisation (WMO) 2007 erneut einen globalen Höchststand des Treibhausgases Kohlendioxid. Die Konzentration in der Atmosphäre stieg um 0,5 Prozent auf 383 ppm (parts per million). Damit sind nun 37 Prozent mehr von dem Klimagift in der Atmosphäre als im 18. Jahrhundert.
Das bringt schon heute das Wetter aus dem Takt. Brasiliens Präsident Lula da Silva bezeichnete vergangene Woche die Unwetter im Süden Brasiliens als "die schwerste Umweltkatastrophe in der Geschichte" des Landes. Die US-Wetterbehörde NOAA bilanzierte am vergangenen Donnerstag die diesjährige Hurrikan-Saison als die "heftigste seit Beginn der Wetterbeobachtung vor 64 Jahren".
Um die Erderwärmung wenigstens auf 2 Grad Celsius zu beschränken, muss ein Anschlussregime zum Kioto-Protokoll gefunden werden. Das erste politische, international verbindliche Instrument für den Klimaschutz läuft im Jahr 2012 aus. Poznan soll den Rahmen finden, in dem dann bis zur nächsten Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen verhandelt wird. Eile ist geboten: Bis das Kioto-Protokoll in Kraft trat, dauerte es neun Jahre.
2. Was sind die Streitpunkte?
Wer muss ab 2012 seinen Treibhausgasausstoß senken und um wie viel? Wie werden die Anpassungsmaßnahmen und der Technologietransfer in den Ländern des Südens finanziert? Wie fließt mehr Geld in die dafür aufgelegten Fonds, die noch völlig unterfinanziert sind? Und wie wird das Abholzen der Wälder vor allem in den tropischen Regionen gestoppt? In all diesen Fragen streiten sich Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer und sind von einem Konsens noch weit entfernt.
3. Wer kommt?
Tausende "Cops" und "Mops": "Cops" sind Delegierte zur "Conference of Parties", mittlerweile 192 Staaten haben die Klimarahmenkonvention unterschrieben, die die Erderwärmung als "ernsthaftes Problem der Menschheit" anerkennt, und sich dazu verpflichtet, Lösungen zu finden. "Mops" sind "Members of Protocol", jener Staaten also, die das Kioto-Protokoll ratifiziert, das heißt in nationales Recht umgesetzt haben. Um im gemeinsamen Sitzungssaal nicht den Überblick zu verlieren, haben die MOP- und COP-Länder farblich verschiedene Namensschilder.
Außerdem kommen tausende Umweltschützer, Wissenschaftler und Lobbyisten nach Poznan: UN-Klimakonferenzen sind basisdemokratische Veranstaltungen, bei der die Chinesische Handelskammer genauso einen Beobachterstatus beantragen kann wie die Wetterbehörde der Malediven. Und natürlich versuchen alle die Verhandlungen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Deutschland wird in der ersten Woche von Beamten des Bundesumweltministeriums vertreten, in der zweiten Woche kommt Sigmar Gabriel nebst einer Abordnung von Parlamentariern.
4. Wer sind die Motoren, wer die Bremser?
China gibt sich zum Verhandlungsbeginn ausgesprochen kooperativ, Japan, Australien und Kanada zeigen sich dagegen destruktiv. Im Vorfeld haben sie "sich hinter den USA versteckt", wie es aus deutschen Verhandlungskreisen heißt. Will heißen: Bevor die neue Administration nicht in die Verhandlungen einsteigt, wollen die drei anderen G-8-Staaten sich auch an keine Aussagen binden lassen. Die Entwicklungsländer hingegen wollen nur eigene Anstrengungen gegen die Erderwärmung unternehmen, wenn die Industriestaaten radikal Kohlendioxid einsparen. Eine Gruppe, die sich als Vermittler versteht, nennt sich "Ehrlichkeit". Dazu gehören unter anderem Südkorea, Mexiko oder die Schweiz
5. Welche Rolle spielt die EU?
Bislang war sie Vorreiter. Doch das könnte sich schnell ändern. Denn parallel zu den Umweltministern in Poznan werden am 11. und 12. Dezember die Staats- und Regierungschefs der EU versuchen, das europäische Klimaschutzpaket unter Dach und Fach zu bekommen. Und das wird schwierig. Polen und andere osteuropäische Staaten wollen ihre Kohlekraftwerke auch weiterhin mit möglichst vielen kostenlosen Verschmutzungsrechten ausstatten, Deutschland will das Gleiche bei der produzierenden Industrie und beruft sich dabei auf den globalen Wettbewerb. Die Autoindustrie will mehr Zeit, um die vorgesehenen CO2-Grenzwerte zu erreichen. Wenn aber in Brüssel kein ambitioniertes Programm verabschiedet wird, werden in Poznan auch nur kleine Brötchen gebacken. Die Europäer werden ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen und ihre Rolle als Klimaschutzlokomotive an die USA abgeben müssen.
6. Gibt es in Poznan bereits einen Obama-Effekt?
Natürlich. Zwar hat der designierte US-Präsident erklärt, nicht selbst zur Konferenz zu kommen, hat aber delegierte Kongressmitglieder gebeten, ihm Bericht zu erstatten. Und die von Obama angekündigten Programme bleiben nicht ohne Wirkung: So will der künftige Präsident etwa 150 Milliarden US-Dollar in den nächsten zehn Jahren investieren, um die für die erneuerbaren Energien auszubauen.
Allerdings: Die Verhandlungsdelegation, die in Poznan am Tisch sitzt, stammt aus der Bush-Administration. Und selbst wenn sie sich von Obamas Visionen inspirieren ließen, bliebe das Problem, dass sie diesen nicht folgen dürfen. Es wird also eher um Signale und Symbole gehen.
7. Was ist mit den Gastgebern?
Traditionell stellt das Gastgeberland den Konferenzleiter - in diesem Fall Umweltminister Maciej Nowicki. Von seinem Verhandlungsgeschick wird viel abhängen. Und Nowicki, Professor und Experte für Luftreinhaltung, wurde für sein wissenschaftliches Engagement vor zwölf Jahren mit dem höchstdotierten Umweltpreis Europas, dem Deutschen Umweltpreis, geehrt. Man darf ihm also unterstellen, Bestes zu wollen. Allerdings hat Polen die Kohle-intensivste Energieversorgung der Europäischen Union und sperrt sich deshalb gegen das EU-Klimapaket. Statt 100 Prozent Emissionsversteigerung für die Stromwirtschaft will Polen nur die Hälfte akzeptieren. Das bringt Nowicki in eine schwierige Situation.
8. Wird die weltweite Wirtschaftskrise eine Rolle spielen?
Nicht offiziell, schließlich ist der Weltfinanzgipfel schon vorüber. Aber die absehbare globale Rezession liefert den Bremsern gewichtige Argumente. So hatte sich Italien bei den Verhandlungen um ein europäisches Klimaprogramm bereits für eine Verschiebung ausgesprochen und dabei auf die Belastungen durch die Finanz- und Wirtschaftskrise verwiesen. Und auch in Deutschland wollen Unionspolitiker, Wirtschaftslobbyisten und Gewerkschafter die vereinbarten Klimaschutzziele aufweichen und begründen dies mit dem konjunkturellen Einbruch. Da wird es schwer, Geld für die Fonds aufzutreiben, mit denen die Entwicklungsländer gegen den Klimawandel gerüstet werden sollen.
9. Was kommt raus?
Wohl keine durchschlagenden Ergebnisse. Schließlich gilt die Konferenz ja als Zwischenschritt nach Kopenhagen 2009. Aber auch ein solcher kann groß oder klein ausfallen oder sogar in die falsche Richtung gehen. Erwartet werden Textbausteine, die am Ende zur sogenannten Shared Vision zusammengefügt werden sollen. Die Vision ist Grundlage für den Verhandlungsplan, der auf der nächsten großen Konferenz in Kopenhagen zu einem neuen Klimaschutzregime führen soll. Experten sprechen vom dem Knochen für das Kioto-Nachfolge-Abkommen, das 2009 zu einem Knochengerüst zusammengefügt und mit Fleisch umgeben werden muss.
10. Wie geht es weiter?
Die Verhandlungsführer - aller Voraussicht nach ein Brasilianer und ein Malteser - müssen bis Februar einen verhandelbaren Text formulieren. Von März bis April wird dieser dann auf Einladung auf einer Arbeitskonferenz in Bonn debattiert. Stimmen alle 191 Vertragsstaaten dem Regelwerk als offizielle Grundlage zu, können die Verhandlungen beginnen. Fertig sein soll der Vertragsentwurf im Juni. Und dann? Im zweiten Halbjahr werden sich alle auf die Konferenz in Kopenhagen vorbereiten und schon im Vorfeld ihre Verhandlungspositionen klären. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel geht noch davon aus, dass in Kopenhagen ein Abkommen unterzeichnet wird. Das werde allerdings noch Restfragen offenlassen müssen. Diese könnten dann bis zum Jahr 2012, also kurz vor dem Start des neuen Klimaabkommens, geklärt werden, hofft der Minister. Das klingt allerdings bereits vor den entscheidenden Verhandlungen nach Rückzug und der Suche nach neuen Zeitfenstern. Ob diese tatsächlich nötig sind, wird auch davon abhängen, ob und wann die USA einen konkreten Verhandlungsimpuls geben werden.
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